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547

DaS verspätete Frühstück.

Da sitzt der ganze Reichstag,
Des Kanzlers noch gewärttg,
Jedoch der kann nicht kommen.
Sein Frühstück ward nicht fertig

Da geht es durch die Reihen
Als wie ein trüber Schatten,
Der Präsident eröffnet
Die Kolonialdebatten.

Freisinnige, Liberale,

Sie reden viel und gerne,

Sie reden ganz verwegen,

Der Kanzler ist ja ferne.

Sie lärmen laut und lauter,
Sie machen ein Getöse,

Und manches arme Zwerglein
Hält sich für eine Größe.

Und wenn der Kanzler käme,
So sprächen sie ganz leise,

Doch wenn die Katze fort ist,

So tanzen gern die Mäuse.

Das ist der Koch des Kanzlers
Mit seinem weißen Kleide,

Der war so nett und machte
Den Mäusen eine Freude.

Hobelspähne.

Warum gerade die Töpfer - Fach vereine
so besonders gefährlich sind, daß sie unterdrückt
werden müssen, darüber wird sich wohl Mancher
vergeblich den Kopf zerbrochen haben. Ich glaube,
es geschah deshalb, weil es keiner Branche leichter
ist, wie den Töpfern, über schlechte Arbeitgeber

ein Scherbengericht zu halten.

* *

•5fr

O, Wellenlinie des Rückens,

O, edle Kunst des Bückens,

Wie bist du jetzt komplizirt.

Man muß vor dem Kanzler sich neigen,
Und Jedem doch Ehrfurcht auch zeigen,

Der nach ihm vielleicht regiert!

* 4fr

4fr

Daß wir so viel Geld für Kanonen, Flinten und Schießbedarf ansgeben
müssen, daran ist lediglich der Mann schuld, der das Pulver erfunden
hat. Die Kartellbrüder sind daran unschuldig, denn sie haben das Pulver
nicht erfunden.

„Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens", deshalb begnügen
sich strebsame Menschen damit, gegen die Aufklärung zu kämpfen.

4fr 4fr

. . . *

Wie Gold ist die Mannestreue,

Die hell vom Auge blinkt.

Wir hoffen, daß einst uns die neue,

Die goldene Freiheit winkt.

Der Wahrheit höchste Verklärung
Strahlt hell wie Goldes Schem,

Drum tritt für die Silber-Währung

Der preußische Junker ein.

* *

Das Wörtchen „frei" ist bei den Spießbürgern gleichbedeutend mit
„unanständig". Deshalb glauben sie auch, daß die politische Knechtseligkeit
zum guten Ton gehöre.

* *

„Zwischen Sinnenlnst und Seelenfrieden

Bleibt dem Menschen nur die bange Wahl",

Wer sein ganzes Geld verkneipt hienieden,

Dem macht stets die Wohnungsmiethe Qual.

* *

4fr

Die Kolonialhelden machen sich ihre Sache sehr leicht. Sie denken,
sie brauchen nur auf die Neger zu schießen, da treffen sie immer in's
Schwarz e.

* *

Der fleißigste Schreiner könnte nicht so viele S p ä h n e machen, wie
Bonlanger solche der französischen Regierung macht. Hoffentlich läßt sich
die französische Republik dadurch nicht verleiten, bei ihm ihren Sarg zu
bestellen. Ihr getreuer

Säge, Schreiner.

Schlechter Geschäftsgang.

A. : Nun, >vie geht das Geschäft?

B. : Hm — nicht besser, wie eine ostasrikanische Blokade.

A. : Wie so?

B. : Man bekommt in der Kasse nur höchstens dann und wann einen
Kreuzer zu Gesicht.

Die Obrigkeit täuscht sich nie.

Polizeidiener Dusel (einen Handwerksburschen vorführend): Herr Amts-
aktuarius, hier bringe ich einen Mann, der sich bettelnd in unserer Stadt
umhergetrieben hat.

Handwerksbursche: Ich habe mich nicht herumgetrieben, sondern bin
auf der Wanderschaft und habe nur einige Leute um einen Zehrpfennig
gebeten.

Amtsaktuarius: Halte Er sein Maul, naseweiser Kerl, und wageEr nicht
hier zu widersprechen. Die hohe Behörde hat jetzt auf das arbeitsfaule Ge-
sindel zu fahnden, weil ein sehr berüchtigter Dieb Namens Greifmann aus
dem Gefängniß entsprungen ist. (Er wischt seine Brille ab und schaut mit strengem
Blick den „Eingebrachten" an.) Er kommt mir übrigens ganz verdächtig vor und
da muß ich doch mal nach dem Signalement sehen.

Handwerksbursche: Aber, Herr Aktnarius, hier habe ich ja meine
Militärpapiere und mein Berbandsbuch ich bin Tischler und heiße Winkelfeld.

Amtsaktuarius: Will Er gleich still sein! Die Papiere können ge-
stohlen oder gefälscht sein, das kennt man schon; aber einen Amtsaktuarius
hintergeht man nicht so leicht. Also stehe Er jetzt gerade und sehe Er mich
an. Altert 45 Jahre. Er scheint zwar nicht so alt, aber darin kann man
sich leicht täuschen.

Handwerksbursche: Ich bin erst 26 Jahre alt; hier stehts in meinem
Verbandsbuch.

Amtsaktuarius: Was, Verbandsbuch? Da soll doch gleich der Böse
dreinschlagen! Ein Verbandsbuch ist höchstens eine sozialdemokratische Legi-
timation, die Ihn noch verdächtiger macht. Also: Größe: 1,70 Meter. Er-
scheint allerdings blos 1,50 Meter zu haben, aber Er geht wahrscheinlich nur
geduckt, um die Behörde zu betrügen; die Größe stimmt. Haar: Dunkel-
braun. Seine Haare sind mehr blond, aber das Signalement kann des
Abends ausgenommen sein und da sieht das Haar dunkler aus: also auch
das Haar stimmt. Augen: braun. Nun, Seine sind zwar grau, aber
das kann man auch einmal für braun halten. Nase: spitz. Er hat zwar
eine sehr stumpfe Nase, aber manche Leute nennen auch das noch spitz. Also
Augen und Nase treffen auch überein. Mund: breit. Er hat mehr ein
spitziges Maul, allein das Maul läßt sich ganz nach Belieben spitz und breit
machen. Besondere Kennzeichen: Sehr bemerkbares Stottern.
Jetzt rede Er einmal, daß man sich ganz überzeugen kann.

Handwerksbursche: Herr Aktnarius, ich schwöre Ihnen, daß ich der
ehrlichste Kerl von der Welt bin.

Amtsaktuarius: Halt, genug! Er stottert zwar nicht, aber das
Stottern kann sich Einer schon abgewöhnen, ich kenne das; Er verstellt sich
nur. Jetzt fort mit Ihm in den Thurm. Morgen früh wird Er mittelst
Schub nach dem Kriminalgefängniß in die Residenz gebracht.

Handwerksbursche: Aber, Herr --

Amtsaktuarius: Schweige Er und schäme Er sich, mir, dem Amts-
aktuarius Findig etwas weiß machen zu wollen! Früheraufstehen, mein lieber
Greifmann! Und nun, marsch in den Thurm.

(Polizeidiener Dusel führt den biedern Schreiner ab.)

Amtsaktuarius (allein): Man wird sich in der Residenz sehr freuen,
dieses gefährliche Individuum endlich erwischt zu haben. Und wem gebührt
der Ruhm? Mir, mir ganz allein. Ja, es geht doch nichts über einen so
pfiffigen Amtsaktuarius und nicht umsonst führe ich meinen Namen.

(Polizeidiener Listig führt einen Vagabunden herein.)

Amtsaktuarius: Was bringt Er da, Listig?

Listig: Einen geivaltigen Fang, Herr Amtsaktuarius. Ich habe hier
den Kerl erwischt, der dem entsprungenen Greifmann wie aus dein Gesicht
geschnitten ist.

Amts aktnarius: Sei Er doch nicht so einfältig, Listig, und sehe Er
sich die Leute genauer an. Der wahre Greifmann ist bereits von Dusel ein-
gcbracht. Der Delinquent war ein ganz verstockter .Herl, der glaubte, mich
hintergehen zu können. Da kain er aber schön an.

Listig: Aber, Herr Amtsaktuarius, lesen Sie doch einmal das Sig-
nalement. Es trifft Alles aufs Haar ein:

Alter: 45 Jahre.

Größe: 1,70 Meter.

Haar: dunkelbraun.

Augen: braun.

Nase: spitz.

Mund: breit.

Besondere Kennzeichen: Sehr bemerkbares Stottern.

Der Kerl stottert ivie eine alte Windmühle. Nicht wahr, Spitzbube? (Der
Vagabund schweigt.) Ja, der Kerl will jetzt nicht reden, damit er sich nicht
verräth.

Amtsaktuarius: Hat Er denn nicht verstanden, Listig, daß wir den
richtigen Greifmann schon haben. Jener leugnet zwar noch und schwört, er
sei nicht der Rechte, aber das ist gerade ein Zeichen, daß er es ist.

Listig: Und dieser hier hat es schon eingestanden, daß er wirklich der
entsprungene Greifmann ist.

Amtsaktuarius: Sieht Er, Listig, das ist grade wieder ein Zeichen,
daß er es nicht ist. Die Leute wissen, daß sie in unfern Gefängnissen gut
behandelt und beköstigt werden, also drängen sich eine Menge solcher Kerle
her, nur um verhaftet zu werden und damit sie nicht zu arbeiten brauchen.
Glaub' Er mir, Listig, das verstehe ich besser als Er.

Listig: Aber das Signalement trifft ja auf den Punkt ein.

Amtsaktuarius: Das ist der reine Zufall und der Kerl verstellt sich.
Ich sage Ihm, wir haben den Nichtigen schon, also lasse Er den da frei und
gebe Er ihm das. Stadtgeschenk, damit er sich auf die ausgestandene Angst
satt essen kann.

Listig: Ich behaupte trotzdem, daß dies der Richtige ist.

Amtsaktuarius (wüthend): Listig, wage Er nicht, noch länger Seinem
Vorgesetzten zu widersprechen, sonst kommt Er vom Dienst. Marsch!

(Listig führt den Vagabunden ab.)

Der Vagabund (im Abgehen): E — e — e — es ge — geht do — doch
ui — ni — nichts ü — ü — über et — einen so gu — gu — guten A—A—Amts-
a - a —ak—tu—a—a—arius!
 
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