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683

den Saal zu bitten, da kiekten se ihn so von Oben runter an, als ob se sagen
wollten: „Na, der sollte ooch lieber wat Änderet duhn, als sich um öffentliche
Anjelegenheiten bekimmern." Ratierlich war von den Saal keene Rede, der
Arbeeter konnte froh sind, wenn er nich noch Jrobheiten zu Heeren kriegte.
Et war wirklich der rcene Jammer mit die Lokalfrage.

Da haben sich aber de Arbeeter nu doch E'mal uff de Hinterbeene je-
setzt un haben die Lokalbesitzer jezeigt, wat 'ne Harke is. Et wurde einfach
jesagt: „Jut, jebt Ihr uns Eire Säle nich, denn drinken wir ooch Eier Bier
nich, denn kennt Ihr bet Zeich alleene saufen!" Det zog, sage ick Dir,
lieber Jacob, wie Senfpflaster. Zuerst wollten sich ja die Brauereidirektoren
un die anderen bramsijen Herrschaften nischt merken lassen, un se dahten so,
als ob ihnen die Sache jarnischt anjing. De Bierfahrer die fuhren det
Morjens mit ihre volle Wagens runter von'n Hof von de Brauereien —
aber se kamen det Abends mit ihre volle Wagens ooch Widder zu Hause:
keen eenziger Budiker traute sich Bier von sonne Brauerei, die sich jejen de
Arbeeter mieß benommen hatte, zu nehmen. Nanu war aber Polen in
Noth! Nu hätteste mal blos sehen sollen, lieber Jacob, wie de dickneesigsten
Brauereidirektoren mit Eenmal kleen wurden, nu konntest De Dir die sämmt-
lichen Brieder mit Eenmal um den kleenen Finger wickeln. Jeden Dag
konnteste jetzt in unser hiesiget Arbeeterblatt lesen, wie se zu Kreize krochen,
am Liebsten hätten se sich nu alle zusammen vor de jreeßteu Umstirzler aus-
jejeben. Eener nach den Anderen kam, un Jeder betheierte, det et ihm jänz-
lich ferne jelegen hätte, de Arbeeter bei ihre „jerechten" Bestrebungen wat
in'n Weg zu lejen; se sollten nu man blos kommen un sehen, wat de
Brauereidirektoren vor famose Kerrels wären, un se sollten doch nu man
blos Widder so jut sind, un wieder det Bier drinken.

Du kannst daraus wieder mal sehen, lieber Jacob, det allens klimbim
is un der Schwerpunkt von det sojenaunte Ehrjesiehl man blos in'n Jeld-
schrank liegt, sobald Eener daran tippt, denn duht der Philister Allens, wat
De man von ihm willst.

Doch det soll uns nu wenig kimmern, de Arbeeter haben erreicht, wat
se wollten, un det Uebrije mojen die Herren mit die feinen Zilinderhiete
mit sich un ihr Jewissen — wenn se eens haben — abmachen, wir wollen
uns darum nich in de Hacken beißen,

womit ick verbleibe erjebenst un mit ville Jrieße Dein treier

Jotthilf Naucke.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Stöcker's Abschied.

(Frei nach Schiller.)

Politika. Stöcker.

Will sich Stöcker ewig von mir Theures Weib, erdrücke deine Klage,
wenden, Noch ist nicht der Abend aller Tage;

Um als simpler Pastor nun zn Lang nicht unterm Scheffel steht mein
enden, Licht.

Ferne von dem Kampfplatz der Scheinen wird die Sonne einst den

Parteien? Frommen,

Wer wird künftig die Semiten Hetzen, Dann wird auch der Stöcker wieder
Christlich-sozialen Kohl nun schwätzen, kommen.

Witzesblättern fetter Bissen sein? Stöcker stirbt als simpler Pastor nicht.

Hobelspahne.

Die harmonische Uebereinstimmung der Par-
teien im sächsischen Landtage wurde bisher nur
durch die Sozialdemokratie gestört. Um nun aber
ihrerseits auch etwas zur Förderung der Har-
monie bcizutragcn, haben dieselben einen Musik-
direktor in den Landtag gesandt. Herr Acker-
mann, welcher dort bisher den Ton angab, wenn
er auch nicht immer den richtigen Takt einhielt,

ist über diese Konkurrenz sehr unglücklich.

* *

*

Wer lud den Stöcker ein zu Waldersee?

's will's Keiner sein und Keiner haften für den

Schaden.

Er, der mit Reden stets „geladen" war —

Sagt, kam er wirklich einmal ungeladen?

4- *

*

Die wahre Größe imponirt immer. Schade, daß man sie in unserer
Zeit nur au ordentlichen und außerordentlichen Budgetforderungen be-
wundern kann.

* *

*

Es schläft die Flur, es schläft der Hain,

Der rauhe Herbstwiud säuselt Schlummerlieder,
Es streckt der Bär zum Winterschlaf sich nieder
Die ganze Welt hüllt sich in Schlummer ein.

Als Nachtlicht schon Saturuus leuchtend strahlt.

Der Handwerks bursch nur, der des Weges schreitet
Und den Gott Morpheus nach der Herberg' leitet,

Darf schlafen nicht, bevor er Schlafgeld zahlt.

* #

*

Der Tugend Pfad ist anfangs schmal,

Dann wird er breiter eben.

Tie Ursach' ist auf jeden Fall:

Es treten so Biele daneben.

4- *

*

Durch das Eisenbahnwesen wird die Industrie mächtig gefördert;
besonders — bei den häufigen Entgleisungen — die Sargtischlerei.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Zur ChcscheidungSfragc.

Ehemann: Es ist mir rein unbegreiflich, wie man sich dazu ent-

schließen konnte, unheilbaren Wahnsinn nicht als Ehescheidungs-
grund anzuerkennen.

Hagestolz: Ist nur konsequent, mein Lieber. Denn wer bei den
heutigen unsicheren Erwerbsverhältnissen und der Putzsucht der höheren
Töchter noch heiratet, ist schon unheilbar wahnsinnig, und die Beibe-
haltung dieses statu8 <puc> kann keinen Grund zur Scheidung bieten.

Atmosphäre sah wie eine beleuchtete Nacht aus. Dem Inspektor stiegen vor
Grausen die Haare zu Berge; das war ja das Nordlicht und er befand sich,
viele tausend Meilen von seiner Polizeistation, an dem öden Strande des
nördlichen Eismeeres.

Was würde sein Chef, was seine Frau sagen, dachte der Inspektor.
Er mochte nicht weit vom Nordpol sein.

Aber die Schrecken des Eismeeres ließen dem Inspektor keine Zeit zu
langem Nachdenken. Ein furchtbares Brüllen erscholl und wie sich der In-
spektor umsah, trabte ein ungeheurer Eisbär daher, der sehr wenig Respekt
vor der Uniform eines königlich preußischen Inspektors zu haben schien.

Entsetzt floh der pflichtgetreue Beamte von dannen und er hatte das
Glück, daß der Ballon die Aufmerksamkeit des Ungeheuers auf sich zog, das
mit seinen mächtigen Tatzen die Stricke zerriß und aus der Gondel mit vieler
Schlauheit die Schinkenstullen hervorholte, mit denen sich der Inspektor zu
seiner nächtlichen Fahrt versehen hatte. Während der Eisbär die Stullen
verschlang, floh Greif landeinwärts und entzog sich dem Gesichtskreis des
blutdürstigen Raubthiers.

Er war noch nicht weit gekommen, als er aus der Schneefläche einige
Schneehaufen hervorragen sah, die eine große Aehnlichkeit mit Bienenkörben
hatten. Aus einigen dieser Schneehaufen quoll ein leichter Rauch empor und
als der Beamte näher trat, sah er, daß die Schneehaufen alle ein großes
Loch an der Seite zeigten.

Aus einem solchen Loche kroch plötzlich ein in Thierfelle gehülltes sonder-
bares Wesen hervor, das auf die Füße sprang und ein bemaltes menschen-
ähnliches Gesicht zeigte. Es stieß einen gellenden Schrei aus und sogleich
kamen aus allen Löchern ähnliche Gestalten gekrochen, die mit Sperren, Bogen
und Pfeilen, Keulen und anderen primitiven Waffen versehen waren. Sic
umringten den Inspektor mit einem drohenden Geschrei. Nun konnte für
den Unglücklichen kein Zweifel mehr bestehen, er war unter die Eskimo ge-
rathen und zwar unter ganz wilde.

Vergebens zeigte er seine Legitimation als königlich preußischer Inspektor
der Kriminalpolizei vor. Sie ward ihm grinsend aus der Hand gerissen und
den umherstehenden Eskimokindern als Spielzeug zugewörfen. Dann ward
er in eine der Hütten hineingeschoben.

Neugierige schmutzige Eskimoweiber glotzten ihn hier an. Die Leute

schienen ihm indessen harmlos und er fühlte, daß er Hunger hatte. Man
reichte ihm ein Stück rohes Seehundsleisch und ein Gefäß mit Thran. Der
Ekel Hütte ihn beinahe zum Brechen gebracht, allein er getraute sich nicht,
die Wilden, denen er auf Gnade und Ungnade überliefert war, durch Zurück-
weisung ihrer Gastfreundschaft zu verletzen. Er würgte das Sechundsfleisch
hinab und trank den Thran. Er mußte ein sehr saures Gesicht dazu ge-
schnitten haben, denn die Eskimo lachten laut auf.

„Ach", dachte Greif, „wie gut haben es doch die Sozialisten, die durch
meine Bemühungen im Zellengefängniß sitzen! Sie brauchen keinen Thran
zu trinken."

Die Eskimo wollten ihren Gast auch unterhalten und sangen ihm ihr
Nationallied vor, das bekanntlich aus dem einzigen Wort „Aja!" besteht.
Nachdem sie ihm das Lied vier Stunden vorgesungen, wäre er gerne zu einem
Irrenarzt gegangen, um sich auf Zurechnungsfähigkeit untersuchen zu lassen,
hätte er nur einen zu finden gewußt.

Am Abend mußte er seine schöne Uniform ausziehen, denn die blanken
Knöpfe reizten die Begierde der Eskimo's. Die Uniform ward zu einem
Feiergewand für den Priester des Stammes bestimmt, welcher sie trug, wenn
er seinen Gottesdienst verrichtete.

So blieb der Inspektor mehrere Monate bei den Eskimo und schließlich
suchten sie auch eine Frau für ihn aus. Es war ein häßliches, dickes Frauen-
zimmer, die wie eine Ente einherwatschelte, von Fett triefte und unaufhörlich
„Aja!" sang.

Greif dachte an seine Frau und an seine Kinder — aber da gab es
keinen Ausweg, er mußte wohl oder übel die dicke Eskimo-Dame heiraten,
wenn er in diesem Polarlande nicht todtgeschlagen werden wollte. Er wurde -
unter allerlei geheimnißvollen Zeremonien mit ihr getraut und man schob
ihn dann in die Schneehütte zu seiner Neuvermählten. Fettglüuzend und
thranduftend fiel sie ihm um den Hals und das hatte die gute Wirkung, daß
der Herr Inspektor aus seinem Traum erwachte.

Er ist immer noch recht trübsinnig, denn er fürchtet jeden Tag, das
lenkbare Luftschiff könnte entdeckt und der schreckliche Traum zu noch schreck-
licherer Wahrheit werden.

Gegen die Sozialisten ist Herr Inspektor Greif in neuerer Zeit sehr
rücksichtsvoll.
 
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