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Die Dpokalypse

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in die Komposition aufgenommen hatten, indem sie etwa beim Laub oder
bei ornamentnlen Mustern, am häufigsten bei den Schuhen die Form ganz
schwarz ließen. Er faßte den Holzschnitt als reine Zeichnung, die in allen
Teilen homogen sein müsse und so löst er diese schwarzen Klumpen im Element
der Linie auf. Auch die größte Dunkelheit ist immer noch durchsichtig.

Seine Skala von Hell und Dunkel ist sehr oiel reicher und er ersetzt die
altertümliche, gleichmäßig helle Haltung der Holzschnitte durch die Kraft starker
Tongegensätze. Wolken stehen licht vor schwarzem Grund, über einer hellen
Landschaft hängt ein dunkler Himmel. Es sind die malerischen Effekte, mit
denen Schongauer einen bescheidenen Anfang gemacht hatte.

Nun beklagt man sich aber noch immer über die schwere Schaubarkeit
dieser Dürerschen Schnitte, daß die Figuren nicht deutlich herausträten
und daß man sich nur ganz allmählich darin zurechtfinde. Das ist wohl
wahr und erklärt sich auch zum Teil als archaische Befangenheit, andrer-
seits aber ist der moderne Betrachter darauf aufmerksam zu machen, daß
man bei diesen Zeichnungen von den einzelnen Figuren nicht ausgehen darf.
Das Maßgebende ist der Linien- und Tonzusammenhang des Ganzen, nicht
das einzelne Motiv. Aus der allgemeinen Linienbewegung und dem Rhpthmus
in der Verteilung von Hell und Dunkel ziehen diese Blätter ihre Stimmung.
Sie wollen als eine dekorative Einheit gefaßt sein. Wie ein Relief des Adam
Krafft seine Schönheit nicht in dieser oder jener Gestalt besitzt, sondern in
der Art der Flächendurchwühlung im ganzen, so ist ein Blatt der Apokalppse
neben allem Sachinteresse immer auch als Liniendekoration bedeutend, wobei
grundsätzlich die Fläche in allen Teilen gleichmäßig gefüllt sein soll. Unseren
Augen mag dabei wohl des österen eine Aufgabe zugemutet werden, der sie
nicht gewachsen sind. Die Fähigkeit, komplizierte Dinge aufzufassen, ist ehe-
mals größer gewesen. Schon in ihrer Architektur besaß diese Generation
der späten Gotik eine Schule für das Sehen, wie sie uns fehlt.

2.

Jch leb und weiß nit wie lang,

Jch stirb und weiß nit wann,

Jch fahr nnd weiß nit wohin,

Mich wundert, daß ich fröhlich bin.

Spruch von 1498.

Das Buch der Apokalypse, trübe und schwer, ist der erste große Stoff ge-
wesen, an dem Dürer seine Kraft erprobte. Das Buch hatte damals eine
ungeheure Bedeutung. Die Empfindung, daß man dem Ende nahe ge-
kommen sei, war überall vorhanden; jeder bereit, in den Erscheinungen der
 
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