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Wurz, Erwin
Der Ursprung der kretisch-mykenischen Säulen — München, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.1006#0033
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macht dienen. Wie das in Kreta im Labyrinth zu Knosos als Machtsymbol
an den Wänden befindliche Doppelbeil zweifellos mit Buten umwunden gewesen
sei, so sollten vielleicht auch in der Priestersymbolik die durch die Kannelierung
hervortretenden Stäbe die Macht des Königs bedeuten.

Muchau übersieht vor allem den Unterschied zwischen Hohlstreifen und
Streifen, deren Eundungen nach außen vortreten. Bei den Schilfrohrbündeln
treten die einzelnen Eohrstämme nach außen hervor und daher die Linien,
von welchen sie begrenzt werden, zurück. Das gibt ein den Hohlstreifen, die
durch Wegmeißelung entstehen, entgegengesetztes Bild. Solche Bohrsäulen,
die z. B. in der Kunst des Neuen Beichs in Ägypten vorkommen,116) erwecken
eher den Eindruck von schwachen, zum Tragen schwerer Lasten sich wenig
eignenden Stützen. Der Schwäche der einzelnen Bohrstäbe ist man denn auch
bei diesen Säulen dadurch zu Hilfe gekommen, daß an mehreren Stellen Bänder
oder Stricke um sie geschlungen worden sind (Abb. 43).

Ein anderer Zweck der Kannelierung wurde darin gesucht, daß sie dazu
dienen sollte, die runde Form der Säulen, die aus der Ferne oder beim Mangel
scharfen Sonnenlichts leicht übersehen werden könnte, deutlicher hervor-
zuheben.117) Die Gefahr, die runde Form könne dem Auge entgehen, ist jedoch,
wenigstens bei solchen Entfernungen, be^i denen überhaupt noch auf eine archi-
tektonische Wirkung zu rechnen ist, nicht vorhanden.

Diesen Ansichten entgegen steht die, daß die Kannelierung aus dem künstle-
rischen Instinkt, aus demselben feinen „Empfinden hervorgegangen sei, das
unsern ästhetischen Genuß bei Betrachtung einer kannelierten Säule psycholo-
gisch bedinge".118)

SÄULE MIT TEIGLYPHENKAPITELL

Auf einem Wandbild im Palast zu Knosos, das eine religiöse Feier oder eine
Volksversammlung darstellt, kommen gebälktragende Säulen vor, deren
Form von den bisher beschriebenen abweicht. Ihr gedrungener, rot bemalter
Schaft ist nicht nach oben verdickt, sondern genau zylindrisch (Abb. 44).119)
Auf ihm ruht ein rechteckiges, in Bahmen geteiltes Kapitell. Der äußere
Bahmen ist wie der innere blau bemalt, der Bahmen zwischen ihnen hell ge-
tönt und mit roten Scheiben besetzt. Dieselben Säulen kommen auf einem in
Hagia Triada gefundenen, prächtigen Trichterrhyton von Steatit, das der
ersten bis zweiten spätminoischen Zeit angehört, vor. Es ist 0,465 m hoch und

116) Borchardt, Die ägypt. Pflanzensäule 1897 S. 50 Fig. 79 u. 80.

117) Rosenthal, Über die Entstehung u. Bedeutung der arehitekt. Formen der Griechen
1830; vgl. auch v. Sybel, Weltgesch. der Kunst im Altertum2 1903 S. 30 u. a.

11S) Streiter, Karl Böttichers Tektonik der Hellenen 1896 S. 95.

119) Durm, österr. Jahresh. S. 78 Abb. 25; Bauk. der Griechen3 S. 62 Abb. 37.

3 Kret.-myk. S.

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