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Wurz, Erwin
Der Ursprung der kretisch-mykenischen Säulen — München, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.1006#0037
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ORNAMENTE DEE PALME

Die Krone der Palme wird von 40—60 hohlrinnig gefiederten Blättern ge-
bildet; die jedes Jahr unten absterbenden werden oben durch neu ge-
bildete ersetzt. Es entwickeln sich ungefähr zwölf Blätter im Jahr, darum diente
die Palme den alten Ägyptern „als Symbol zur Bezeichnung des Jahreszyklus
mit den Monaten".129) Die Fiedern, d. h. die selbständig von der Rippe ge-
tragenen Stücke des Blatts entstehen dadurch, daß die ursprünglich ganze,
in der Knospenlage gefaltete Blattfläche, an den Faltenlinien reißt.

Die herrliche Form des grünen Blatts hat neben der Bedeutung der Palme
als heilige Pflanze dazu beigetragen, daß es neben der Spirale das beliebteste
Ornament der kretisch-mykenisehen Kunst geworden ist.

Es lag am nächsten, die eine Rosette bildende Palmkrone auch als Rosette
nachzubilden. Soviel ich weiß, ist die Entstehung der Rosette aus der Palm-
krone nirgends erwähnt. Es fehlt überhaupt an einer umfassenden Geschichte
dieses historisch und künstlerisch so wichtigen Motivs. L. v. Sybel,130) dem
sich Michaelis131) angeschlossen hat, meint, sie sei aus der Metalltechnik ent-
standen. Flinders-Petrie132) nennt die Rosette ,,a generic flower ornament".
Meurer133) führt sie auf verschiedene Blüten zurück. Sicher ist, daß die
Rosette aus der Nachahmung verschiedener Blüten, Blätter und
Früchte entstanden ist, wobei dann bei ihrer Ausgestaltung
technische Prozeduren mitgewirkt haben.

Es ist nicht in jedem Fall möglich, die von der Palmkrone abstammende
Rosette von denen anderer Herkunft zu unterscheiden, dies gilt namentlich für
die Rosetten der Vasenmalerei der letzten Periode der kretisch-mykenisehen
Kunst, wo die Motive bis zur Unkenntlichkeit stilisiert worden sind und
zudem durch Spielen mit den Formen mancherlei Umwandlungen ent-
standen sind.

Von den schmalen vierblätterigen Rosetten, die schon auf Knopfsiegeln
aus der primitiven Tholos von Hagia Triada (zweite Hälfte der frühminoischen
Zeit) vorkommen (Abb. 50),134) lassen sich die Blattrosetten der Palme leicht
unterscheiden, ebenso von den sechsblätterigen, außen zugespitzten Rosetten.135) \
Schwieriger ist ihre Unterscheidung von den vielblätterigen Rosetten der

129) Fischer a. a. 0. S. 4. — 13°) Kritik des ägyptischen Ornaments 1883 S. 17.
m) Springer-Michaelis, Handb. der Kunstgesch. I9 1911 S. 113.

132) Egyptian decorative Art 1895 S. 56 ff.

133) a. a. 0. S. 203 ff.; vgl. Kümmel, Ägypt. u. myken. Pflanzenornam. 1901 S. 12;
v. Bissing, Der Anteil der ägyptischen Kunst am Kunstleben der Völker 1912 S. 56.

134) Halbherr, Memorie del E. Istituto Lombardo di Scienze e Lettere 1905 XXI Tav. XI
Abb. 25 u. 26.

135) Schliemann, Mykenae S. 195 n. 241, S. 228 n. 301, S. 365 n. 481 u. a. m.

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