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Wurzbach, Alfred von [Bearb.]
Niederländisches Künstlerlexikon: mit mehr als 3000 Monogrammen (Band 3): Nachträge und Verzeichnis der Monogramme — Amsterdam, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.18168#0207
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Die anonymen Meister.

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entstanden. Geisberg sagt in wahr-
haft serviler Verzückung: „Lehrs,
dem wir alles verdanken, was wir zurzeit
über diesen Meister ersten Banges (?)
wissen, setzt ihn mit Eecht an das Ende
der ersten Hälfte des 15. Jahrh." Wel-
chen Hanges sind dann Schongauer und
Israbel, wenn dieser Gnom ein Stecher
ersten Ranges sein soll ? Das sind auch nicht
Anfänge der Kunst, sondern schwache
Versuche, in Kupfer zu stechen. Sie tra-
gen weder eine Bezeichnung, noch irgend
ein anderes charakteristisches Merkmal,
als ihre nichtssagende Unbedeutenheit.
Den Namen gab ihm Dr. Lehrs nach dem
Blatte mit der Eselin des Bileam.

Von ihm gestochen: 1. Bileam (Dresden); — 2. Maria,
in Halbfigur. Rund; — 3. Maria mit dem Vogel und
dem arbeitenden Engel. Ein jämmerliches Machwerk.
(Albertina); — 4. S. S. Petrus und Paulus in Halb-
liguren. (Karlsruhe); — 5. St. Johannes in der Wüste;
— 6. Die Himmelfahrt der Maria Magdalena. Rund; —
7. St. Maria, sitzend. Rund; — 8. Das Gotteslamm.
Rund; — 9. Der Narr mit der Handtrommel. (Die
letzteren sämtlich in Karlsruhe.)

Max Lehrs. Geschichte und kritischer Katalog.
I. 327; — Derselbe in Repert. 1891. p. 352; —
•Oelsberg. Meister der Graphik. II. p. 55.

Der Meister d e r Boccaccio-Illu-
strationen, Maler und Kupferstecher der
zweiten Hälfte des 15. Jahrh., zu Brügge
tätig. Er führt seinen Namen nach den Illu-
strationen der französischen Übersetzung
des lateinischen Manuskripts von B o c-
caccio's ,,De casibus virorum illustrium"
und „De claris Mulieribus", welche 1476 in
Brügge bei Oolard M a n s i o n er-
schien. Sie hat den Titel: Le Li vre
de la Ruyne des Nobles Hommes
et F e m m e s per Jehau Bocace de
Certald: Imprime a Bruges par Co-
lard Mansion. Anno M.CCCCLXXVI.
(1476). Dr. Laing hat vier Ausgaben
(issues or states) dieser Auflage nach-
gewiesen und allem Anschein nach hatte
Oolard Mansion ursprünglich gar nicht
die Absicht, die Ausgabe zu illustrieren,
da anfangs nirgends Baum zur Ausfüllung
durch die bekannten Kupferstiche ge-
lassen war. Erst während des Druckes
scheint er die Idee gefaßt zu haben, und
ersetzte, um Baum für eine Folge von
Illustrationen zu gewinnen, die ersten
Blätter der einzelnen neun Bücher (mit
Ausnahme des ersten und sechsten) durch
neue, bei denen der Text so viel gekürzt
wurde, daß nun genügender Raum zum Ein-
schalten der Stiche frei blieb. Von jener
Ausgabe, in welche die Kupferstiche tat-
sächlich eingeklebt wurde«, sind bisher
zwei Exemplare bekannt, eines in der
Bibliothek zu New Battle-Abbey bei Mar-
quis of Lothiau (1877 in der Caxton-
Aussfeilung in London) mit neun kolo-

rierten Kupferstichen, und ein zweites in
der Universitätsbibliothek zu G ö 11 i n-
g e n mit nicht kolorierten, beide Exem-
plare mit je einer Prologillustration und
acht Kupferstichen zu neun Büchern. Der
Stich zu dem sechsten resp. siebenten
Buche fehlt, da der in beiden Exemplaren
vor dem siebenten Buche stehende Stich
eigentlich zu dem sechsten gehört.
Bartsch kannte nur drei Blätter dieser
Illustrationen, ohne ihre Zusammengehö-
rigkeit zu vermuten. (X. p. 37. N. 72; p. 39.
N. 1; p. 40. N. 2.) Passavant kannte
wohl die Stiche, aber nicht die Ausgabe,
für welche sie bestimmt waren. Die
Kupferstiche des Lothian-Exemplars wur-
den 1878 von Dr. Laing unter dem
Titel: „Facsimiles of Designs
f r o m E n g r a v e d Copper Plates"
in 45 Exemplaren veröffentlicht.

Diese, sowohl ihrer Technik als ihrem
Gegenstande nach äußerst merkwürdigen
Blätter haben die Chalkographen vielfä Ltig
beschäftigt. C o 1 a r d Mansion war
Mitglied der Gilde der Libraires und En-
lumineurs in Brügge, und es ist höchst-
wahrscheinlich, daß auch die Zeichner und
Stecher dieser Blätter derselben Gilde an-
gehörten. Passavant bemerkte bereits,
daß die Technik der Stiche gewisse Ähn-
lichkeiten mit jener des Israhel van
M e c k e n e n habe, dessen Aufenthalt in
Brügge um diese Zeit nicht nach-
weisbar, aber sehr wahrscheinlich ist.
Lehrs ist der Ansicht, daß die sämtlichen
neun Stiche von einer Hand herrühren,
aber dieser Kenner ist gewöhnt, seine
voreiligen Behauptungen ununterbrochen
selbst zu korrigieren und wird auch diese
Ansicht berichtigen müssen. Das Blatt
N. 2, „Boccaccio schreibt die Geschichte
der ersten Menschen", ist ganz bestimmt
von anderer Hand als die übrigen
Boccaccio-Blätter. Man kann sich hier-
über auf den ersten Blick täuschen, bei
wiederholter Untersuchung ist es unmög-
lich, dies zu glauben. Das Blatt N. 2
ist ganz verschieden von den übrigen,
welche durch die vorwiegenden unbearbei-
teten Partien deutlich verraten, daß sie
von einem Miniaturisten gezeichnet sind,
der gewohnt war, die Wirkung derselben
durch die Farbe zu erzielen. Dies ist
bei dem Blatte N. 2 durchaus nicht
der Fall. Es ist anders komponiert,
anders gedacht und anders gearbeitet.
Von diesem Vorwurf existieren merk-
würdigerweise drei verschiedene Stiche,
die im Gegenstande einander sehr ähn-
lich, in der Detailkomposition aber
sehr verschieden sind und vielfältig
voneinander abweichen. Lehr s, der sie
 
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