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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 2.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.3530#0145
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BESPRECHUNGEN. 141

einmal, wenn es für sich überhaupt keine Bedeutung hat, sondern diese nur als
schmückendes Glied des Raumes als solchen gewinnt, dann aber, wenn es im
schroffsten Gegensatz dazu nur ein schmückendes Glied des Inhalts der Räumlich-
keit ist, wenn es also im Räume untergeht, gleichsam nur eine von vielen Wir-
kungen im Räume bedeutet (während es im anderen Falle nur ein Teil der Raum-
wirkung überhaupt ist). In der Mitte zwischen beiden Arten von Bildern steht das
dekorative Bild. Es ist weder Schmuck des Raumes, noch schmückt es den Raum,
sondern es ist der Schmuck im Räume. Will heißen, es ist die größte Wirkung
des Raumes, sein Kulminationspunkt, und es hat daher im Räume zu stehen nicht
als tonige, sondern als betonte Masse.« (Als solche verlange es dann zeichnerische
Durchbildung; S. 27.)

Für diese letzten Ausführungen und mehreres andere der Art gesteht Referent
von vornherein, daß er nicht im stände war, sie restlos in ihrem Inhalte aufzu-
nehmen. Trotz größter Mühe gelingt es ihm bei derartigen Behauptungen nie,
jenes »Identitätsgefühl« in sich zu erzwingen, das ihm sonst immer das Zeichen
dafür ist, eine Sache richtig, d. h. im Sinne des Autors erfaßt zu haben. So kann
er für diesen Fall nur seine schon an anderem Orte ausgeführte Meinung über das,
was man im allgemeinen mit dem Worte »dekorativ« bezeichnet, hier wiederholen.
Man kann beobachten, daß das Dekorative kein bIvm ist, sondern ein tpaivsoü-at, kein
Sein, sondern ein Wirken. Jede Sache kann dekorativ wirken, sei sie stark oder
schwach im Ausdruck, groß oder klein, lebendig oder tot, malerisch oder zeich-
nerisch; und sie tut es immer dann, wenn sie sich einer räumlich größeren Sache
unterordnet. Ein Höhenzug unter dem Himmel, ein Berg in der Landschaft, ein
Haus an einem Abhang, ein Baum im Felde, ein Monument auf einem Platze, ein
Wandgemälde im Saal, ein Bild im Zimmer, ein Mensch auf der Bühne, ein Schmuck-
stück an einem Körper: alle können derart im Zusammenhange mit dem Größeren
betrachtet werden, daß sich ihre Eigenbedeutung dem weiteren Komplexe unter-
ordnet. Und unter dieser Voraussetzung gelangen sie als oft wichtige Teile des
Ganzen, aber immerhin als dessen Teile zu einer Art von dienender Wirksamkeit,
für die wir das Wort »dekorativ« gebrauchen. — Daß die Wandgemälde (und die
Buchillustrationen) dabei oft zweidimensional und linear, also zeichnerisch werden,
ist ein Spezialfall und hat mit ihrer etwa vorhandenen Monumentalität keinen
inneren Zusammenhang. Wenn sich nämlich ein Gemälde einer Wand unterordnen
soll, so darf es kein störendes Loch in sie schlagen. Das verhindert man entweder
durch Ausbildung eines stark betonten Rahmens, der das räumlich tiefe Bild zu-
sammenfaßt und von der geschlossenen Flächenerstreckung der Wand sondert; oder
das Bild paßt sich der zweidimensionalen Wand an und wird damit auch zwei-
dimensional, profilmäßig, linear1). —

Das Buch Grab, enthält noch zwei Anhänge. Der erste bringt eine sehr inter-
essante, 40 Seiten umfassende systematisch geordnete Zusammenstellung der »Aus-
sprüche Böcklins über Kunst und Künstler«. Es wäre sicherlich ein die Böcklin-
forschung sehr förderndes Unternehmen, diesen ausgezeichneten Gedanken noch
weiter auszubauen und alle bekannten Aussprüche Böcklins systematisch geordnet
in einem kleinen Büchelchen zusammenzubringen. Allerdings würden hier vielleicht
Fragen des literarischen Eigentums Hindernisse bereiten. Aber auch schon bei

]) Man kann bei alten und neuen Buchillustrationen beobachten, wie als Folge
des Strebens nach dekorativer Wirksamkeit raumtiefe Miniaturen und Buchillustra-
tionen den Rahmen stark zu betonen pflegen, während er bei flacher und dem
Zweidimensionalen angepaßter Darstellung sogar ganz fehlen kann.
 
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