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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 2.1907

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Wize, Kasimir Filip: Über den Zusammenhang von Spiel, Kunst und Sprache
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https://doi.org/10.11588/diglit.3530#0179
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ÜBER DEN ZUSAMMENHANG VON SPIEL, KUNST UND SPRACHE. ]75

sehen geschaffen. Guyau nimmt aber Ärgernis an einem Spiel, das
entweder zu einseitig aufgefaßt wird oder von einer zu niedrigen Art
ist, und deshalb läßt er die Definition der Kunst als Spiel nicht gelten.
Sonst ist alles, was er zum Preise der Kunst sagt, mit ihrer Deutung
als Spiel nicht unvereinbar, so auch die folgende Definition vom
Schönen: »Eri somme, le beau, croyons-nous, peat se definir: une per-
ception ou une action qui stimule en nous la vie sous ses trois formes
ä la fois (sensibilite, intelligence et volonte) et produit le plaisir par la
conscience rapide de cette Stimulation generale«1).

Lippsens Verhalten zur ästhetischen Spieltheorie wird, so will es
mir scheinen, im Grunde genommen immer versöhnlicher. Hat er
sich doch zu Zugeständnissen verleiten lassen. Mit dem »Spiel« sei
»gewiß Richtiges gemeint«. »Groos' Spiel« sei »schließlich nur ein
andrer Name für die spezifisch ästhetische Realität« 2). Doch diese
direkten Zugeständnisse, mit denen man bloß den Ausdruck »läppisches
Spiel« 3) und die Kritik der Ansichten Groos' im Jahre 1898 vergleichen
möge, sind nicht so wichtig wie manche selbständigen Erwägungen
von Lipps. Es gibt in den Schriften von Lipps Stellen, wo er der
anderwärts zurückgewiesenen Auffassung der Kunst als Spiel gedank-
lich nahekommt. Es heißt bei ihm z. B., daß das »ästhetische Erleben«,
das »unmittelbare Erleben allem Wissen gegenüber« stehe. Dieser
Gedanke ist eng verwandt mit dem Kantischen vom Schönen, das
»ohne Begriff« gefällt. Sodann spricht Lipps vom »Tun, welches
immer in sich Grund des Selbstwertgefühls ist«, immer »lustvoll, oft
ein intellektuelles Tun« ist und als solches von dem Tun zu sondern
wäre, welches »ein andermal« auf »praktische Zwecke« gerichtet ist4).
Hier wird offenbar das Spielen dem Arbeiten begrifflich entgegengesetzt.
Auch wenn fernerhin Lipps in seinem Buch »Vom Fühlen, Wollen
und Denken« (S. 195) vom »ästhetischen Sichauswirken« spricht, so
brauchte er nur dieses geistige Sichauswirken mit dem körperlichen
Sichauswirken in den körperlichen Spielen zu vergleichen, um die
Analogie zwischen Kunstgenuß und den körperlichen Spielen in augen-
scheinlichster Weise zu bemerken.

Neben den Gegnern sind als entschiedene Anhänger der ästhetischen
Spieltheorie aus neuester Zeit zu nennen besonders Karl Groos, Kon-
rad Lange, Otto Liebmann und Hermann Cohen. Weniger genannt
wird Julius Milthaler mit seiner Studie: »Rätsel des Schönen«, in der
er vor allem gegen Guyau Stellung nimmt. In der Musikästhetik ver-

') Guyau, a. a. O. S. 77. Vgl. Dessoir, Ästh. u. allg. Kunstwissenschaft, S. 57.

2) Dritter ästhet. Literaturbericht. Archiv für System. Phil. 1900, VI, 392 f.

3) Komik und Humor, S. 229.

4) Lipps, Grundlegung der Ästhetik, S. 97—99.
 
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