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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 2.1907

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Meyer, Richard M.: Bemperlein und Gemperlein
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https://doi.org/10.11588/diglit.3530#0374
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370 RICHARD M. MEYER.

Sehr ausführlich bespricht auch Wundt (Völkerpsychologie, B. I,
Die Sprache, 1. Teil, Leipzig 1Q00) die Lautsymbolik. Er führt den
nicht ganz glücklichen Terminus »Lautmetapher« (S. 326 f.) ein und
versteht darunter »eine Beziehung des Sprachlautes zu seiner Bedeu-
tung, die sich dadurch dem Bewußtsein aufdrängt, daß der Oefühlston
des Lautes dem an die bezeichnete Vorstellung gebundenen Gefühl
verwandt ist«. Hier wird also wieder ein dem Laut immanenter Ge-
fühlston angenommen, wie denn auch weiterhin in der indogermani-
schen »Wurzelvariation« (S. 335) oder der hebräischen Vokalverände-
rung der Konjugation (S. 338) eine Vokalsymbolik vermutet wird. Es
soll etwa »die passive Bedeutung durch die Vertiefung des Vokal-
tons« angezeigt werden. »Dagegen ist einzuwenden,« bemerkt schon
H. Paul (»Der Ursprung der Sprache«, Beilage zur Münch. Allg. Zei-
tung, 16. Januar 1Q07), »daß sich über solche Formen ohne eine genaue
sprachgeschichtliche Untersuchung, die allerdings bei vielen Sprachen
nicht möglich ist, nicht urteilen läßt. Hat man doch früher auch an-
genommen, daß der Ablaut im Deutschen, z. B. der Wechsel ,binde,
band, gebunden' eine symbolische Bedeutung habe. Wir wissen jetzt
aber genau, daß er auf mechanischen Ursachen beruht und mit der
Bedeutungsverschiedenheit der Formen ursprünglich gar nichts zu
schaffen hat. Bei dem Mangel an zuverlässigem Beobachtungsmaterial
wird man. in Bezug auf die Annahme von Lautsymbolik kaum über
allgemeine Wahrscheinlichkeitsgründe hinauskommen.«

Dies versucht Wundt nun doch durch einigermaßen systematische
und vollständige Sammlung gewisser Lautkorrespondenzen, wie in den
»Naturlauten« pa für den Vater, ma für die Mutter (S. 329) oder bei
Tätigkeitsbegriffen wie krak, das plötzliche krachende Geräusch, kruk,
den dauernden, lauten Schall, krik, den scharfen, eindringenden Laut
(S. 337). Offenbar ist hier wieder der einzelne Vokal Sitz der laut-
symbolischen Wirkung, wie denn auch (S. 332) der labiale Resonanz-
ton m als Träger für Bezeichnungen des »Ich« kenntlich gemacht wird.

Man kann nun einwenden, Viehoff und v. d. Gabelentz könnten
beide recht haben, oder Wundt sowohl in diesen Ausführungen als
in anderen, die (S. 328—342 f.) mit dem ganzen Wort operieren. Die
lautsymbolische Wirkung könnte ja da, wo ein einzelner Laut domi-
niert, von diesem getragen werden, so also von den Vokalen bei Ent-
sprechungen wie krak, krik, kruk oder band, binde, gebunden, —
sonst von dem ganzen Wort. Indessen liegt in Wirklichkeit ein prin-
zipieller Unterschied vor, da eben reine Lautsymbolik nur bei dem
kahlen Laut möglich ist, während bei jedem Wort unvermeidlich Asso-
ziationen aus der Bedeutung mitspielen müssen.

Dennoch ist eine gewisse Vermittlung beider Anschauungen denk-
 
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