Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 2.1907

DOI Artikel:
Meyer, Richard M.: Bemperlein und Gemperlein
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.3530#0376
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
372 RICHARD M. MEYER.

literarische, praktische in Betracht kommen) schwebt mir seit vielen
Jahren vor; das Material hat sich aber dermaßen gehäuft, daß ich wohl
nie zu seiner Verarbeitung gelangen werde. Statt dessen möchte ich
ein einzelnes Paar erfundener Namen einmal in einen größeren Zu-
sammenhang stellen, um wenigstens in einem Fall mit annähernder
Sicherheit die lautsymbolisch wirkenden Faktoren bestimmen zu können.
Denn die Deutung einzelner, aus dem sprachlichen Zusammenhang
gerissener Belege wird selten von Willkür ganz frei sein, oder ein-
fach einem Zirkelschluß dienen: wir legen in die Elemente des Laut-
bildes eben einfach die Bestandteile des Eindrucks hinein, den das
ganze Wort macht, und interpretieren etwa: »Gugelhupf«, ein bräun-
licher Kuchen (daher der dunkle Vokal), der sich rund, ballartig (»hupf«)
auf breiterer Grundlage (»Gugel«) erhebt. ... Von dieser Art sind
etwa die Deutungen der Wortbildungen Richard Wagners durch Hans
v. Wolzogen nur zu häufig.

Fr. Spielhagen hat in seinen »Problematischen Naturen« einen un-
ruhigen, unpraktischen Gelehrten mit dem komischen Namen »Bemper-
lein« belegt; eine Name, der für seine Vorfahren, würdige Pastoren,
allerdings nicht paßt (vgl. meine Deutsche Literatur des 19. Jahr-
hunderts, S. 542), wohl aber für den komischen Kauz selbst. Marie
v. Ebner-Eschenbach hat, offenbar unabhängig davon, eine kleine
Meisternovelle »Die Freiherren von Gemperlein« genannt; und auch
die Brüder Gemperlein sind unruhige, humoristisch wirkende, aber wie
jener Magister im Grund treffliche, sympathische Leutchen. Wir dürfen
diesem glücklichen Zufall danken und es als objektiv beglaubigt for-
mulieren, daß zwei berühmte Erzähler Figuren durch diese Namen in
diesem Sinn charakterisieren wollten. Und dies ist so völlig gelungen,
daß mindestens zum Teil dieser Eindruck schon durch den Namen
erreicht wird: der Eindruck eines unruhigen, umständlich-komischen
Wesens. — Wir können ferner bemerken: für die Wirkung ist der
anlautende Konsonant von geringerer Bedeutung, obwohl kein dritter
bei meinem Experimentieren dem B und G gleichkam; die eigentliche
Kraft beruht offenbar in der Konsonantenfolge vom ersten Vokal ab
und ganz besonders in der (sozusagen daktylischen) Kadenz.

Aber ein weiterer Zufall scheint uns sofort vor vorzeitigen Deu-
tungen zu warnen.

Ein drittes hervorragendes Talent der Erzählungskunst erfindet
einen lustigen Necknamen, der scheinbar die Elemente von Bemper-
lein und Gemperlein noch gesteigert aufweist. Helene Böhlau er-
zählt in ihren »Altweimarischen Liebes- und Ehegeschichten« von drei
Schwestern mit den Kosenamen Schmirankel, Ludschevadel und Schlim-
pimperlein. »Schlimpimperlein« — durch den reimenden Auftakt rollt
 
Annotationen