DAS WEIBLICHE SCHÖNHEITSIDEAL IM GRIECHISCHEN ROMANE. 3g 1
daß die Liebe wie durch Fenster durch die Augen in den Menschen
eindringe, ein in den neueren Literaturen sehr abgenütztes Bild (III, 14:
"Epwc ... wc £*/. duptScov ijJLTtsowv 6t' o^jiatcov).
Wenn Winckelmann (S. 357) sagt, daß in der Kunst mehr die Form
als die Farbe des Auges in Betracht komme, da in jener dessen Schön-
heit bestehe, an der »die verschiedene Farbe der Iris nichts ändert«,
so gilt das in gewissem Verstände auch für das literarische Schön-
heitsideal, nur daß da auch die Form hinter dem Ausdrucke, dem
Geistigen zurücktritt. Dies äußert sich sinnlich zunächst im Glänze,
welcher auch in den meisten Beschreibungen gebührend hervorgehoben
wird, was besonders deutlich bei dem Nachahmer Nicetas Eugenianus
zu sehen ist, dem das Symbol wieder die Sache verdrängt; so ruft er
aus (II, 208): Strahlend ist ihr Auge, lebe wohl, du Glanz der Edel-
steine! Bei Heliodor überglänzen die Augen der Charikleia die Fackel,
die sie in der Hand trägt61); typisch ist die Ausdrucksweise bei Xeno-
phon von Ephesus, Achilles Tatius, Eustathius und Dares ß2), mit der
Liebeswirkung in Verbindung gebracht, also nicht mehr rein ästhetisch
erfaßt bei Boccaccio63).
Sonst war, wie auch Winckelmann (S. 357) für die Kunst feststellte,
ein großes Auge schön64), scharf von den Lidern umfaßt, rundlich ge-
wölbt (Winckelmann S. 359) und schwarzbewimpert65), wie der bei der
Beschreibung des Auges minutiöse Eustathius angibt. Von der Farbe
sprechen nur Eustathius und nach ihm Nicetas Eugenianus; ihnen ist
sie schwarz. Ebenso ist auch die der Augenbrauen66), die hoch-
geschwungen die rundliche Wölbung des Auges nachahmen müssen;
sie werden auch nach ihrer Gestalt mit dem Regenbogen, der Mond-
sichel und der Schußwaffe, dem »Bogen«GT), verglichen. Dares Phry-
gius allein legt Gewicht darauf, ob die beiden Brauen zusammenlaufen
(Briseis) oder durch einen Zwischenraum getrennt sind (Helena). Der
Schönheitstypus wird dadurch freilich auf Kosten des Persönlichen,
Eigenartigen verwischt6S). Die Wange wird nur durch ihre Farbe
gekennzeichnet, die ja auch für den Gesamteindruck des Gesichtes von
alleiniger Bedeutung ist. In der Mitte zeigt sie reines Rot, das all-
mählich in unvermischtes Weiß am Rande übergeht. Charakteristisch
sind da die Endpunkte der Reihe: rot und weiß, die zwar nicht un-
vermittelt aneinanderstoßen dürfen, aber zur Steigerung der Sinnfällig-
keit der Beschreibung in dieser wie Kontraste verbunden zu werden
pflegen. Die Beispiele, an denen man dies zeigt, sind Vergleiche, die
aus demselben Sinnesgebiete stammen und nur durch die Träger der
gegenüberstehenden Eigenschaften (rot und weiß) variiert werden 69).
Den Mund nennt Winckelmann (S. 362) einen der schönsten Teile
des Gesichtes; wenn er aber gleich im Anschlüsse an diese Bemer-
daß die Liebe wie durch Fenster durch die Augen in den Menschen
eindringe, ein in den neueren Literaturen sehr abgenütztes Bild (III, 14:
"Epwc ... wc £*/. duptScov ijJLTtsowv 6t' o^jiatcov).
Wenn Winckelmann (S. 357) sagt, daß in der Kunst mehr die Form
als die Farbe des Auges in Betracht komme, da in jener dessen Schön-
heit bestehe, an der »die verschiedene Farbe der Iris nichts ändert«,
so gilt das in gewissem Verstände auch für das literarische Schön-
heitsideal, nur daß da auch die Form hinter dem Ausdrucke, dem
Geistigen zurücktritt. Dies äußert sich sinnlich zunächst im Glänze,
welcher auch in den meisten Beschreibungen gebührend hervorgehoben
wird, was besonders deutlich bei dem Nachahmer Nicetas Eugenianus
zu sehen ist, dem das Symbol wieder die Sache verdrängt; so ruft er
aus (II, 208): Strahlend ist ihr Auge, lebe wohl, du Glanz der Edel-
steine! Bei Heliodor überglänzen die Augen der Charikleia die Fackel,
die sie in der Hand trägt61); typisch ist die Ausdrucksweise bei Xeno-
phon von Ephesus, Achilles Tatius, Eustathius und Dares ß2), mit der
Liebeswirkung in Verbindung gebracht, also nicht mehr rein ästhetisch
erfaßt bei Boccaccio63).
Sonst war, wie auch Winckelmann (S. 357) für die Kunst feststellte,
ein großes Auge schön64), scharf von den Lidern umfaßt, rundlich ge-
wölbt (Winckelmann S. 359) und schwarzbewimpert65), wie der bei der
Beschreibung des Auges minutiöse Eustathius angibt. Von der Farbe
sprechen nur Eustathius und nach ihm Nicetas Eugenianus; ihnen ist
sie schwarz. Ebenso ist auch die der Augenbrauen66), die hoch-
geschwungen die rundliche Wölbung des Auges nachahmen müssen;
sie werden auch nach ihrer Gestalt mit dem Regenbogen, der Mond-
sichel und der Schußwaffe, dem »Bogen«GT), verglichen. Dares Phry-
gius allein legt Gewicht darauf, ob die beiden Brauen zusammenlaufen
(Briseis) oder durch einen Zwischenraum getrennt sind (Helena). Der
Schönheitstypus wird dadurch freilich auf Kosten des Persönlichen,
Eigenartigen verwischt6S). Die Wange wird nur durch ihre Farbe
gekennzeichnet, die ja auch für den Gesamteindruck des Gesichtes von
alleiniger Bedeutung ist. In der Mitte zeigt sie reines Rot, das all-
mählich in unvermischtes Weiß am Rande übergeht. Charakteristisch
sind da die Endpunkte der Reihe: rot und weiß, die zwar nicht un-
vermittelt aneinanderstoßen dürfen, aber zur Steigerung der Sinnfällig-
keit der Beschreibung in dieser wie Kontraste verbunden zu werden
pflegen. Die Beispiele, an denen man dies zeigt, sind Vergleiche, die
aus demselben Sinnesgebiete stammen und nur durch die Träger der
gegenüberstehenden Eigenschaften (rot und weiß) variiert werden 69).
Den Mund nennt Winckelmann (S. 362) einen der schönsten Teile
des Gesichtes; wenn er aber gleich im Anschlüsse an diese Bemer-