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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 2.1907

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Fischer, Ottokar: Über Verbindung von Farbe und Klang
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https://doi.org/10.11588/diglit.3530#0528
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524 OTTOKAR FISCHER.

schimmernden Tönen wahrzunehmen glaubt, wie sich reizende, äthe-
rische und erhabene Gestalten eben zusammenfügen wollen, wie sie
sich von unten auf emporarbeiten, und klarer und immer klarer in
den fließenden Tönen werden. Aber die Musik hat eben daran ihre
rechte Freude, daß sie nichts zur wahren Wirklichkeit gelangen läßt,
denn mit einem hellen Klange zerspringt dann alles wieder, und neue
Schöpfungen sind in der Zubereitung.« Wieder das Bild von der
Musik, die an einen Bach gemahne; nun begreifen wir auch Wen-
dungen aus Tiecks erster Zeit, wie »rieselnde Töne«. Die gegen
Castel gerichteten Ausführungen werden von Wackenroderschen Er-
fahrungen und Selbstbeobachtungen nicht unbeeinflußt sein, denn
auch Wackenroder spricht von Evokationen eines Bildes durch Musik*).
Was Tieck an Castels Vermutung verwirft, scheint nicht der Grund-
satz zu sein, sondern die Anwendung. Für seine Person ist er sich
des Zusammenhangs zwischen Farbe und Klang wohl bewußt. Aber
er will diese Beziehungen zu keinen starren machen, auch nicht illu-
strieren; den seinem Empfinden nach dumpferen Klang mag er nicht
durch das Hellere einer Farbe, durch das Greifbare einer Gestalt fest-
halten, die Musik ist ihm etwas Unbestimmtes, Unbestimmbares, daher
sie nichts zu greifbarer Wirklichkeit gelangen läßt. Der andere Haupt-
gegensatz, den er gegen Castel geltend machen will, läßt sich aus den
unbestimmten, nicht eben gewandt gefügten Worten nur erraten, aber
ich glaube ihnen keine Gewalt anzutun, wenn ich sie in folgendem
Sinn auslege: Nicht der Ton an sich, auch nicht die Tonart erschien
Tieck gefärbt, sondern der Charakter, das Timbre des Instruments: jeder
einzelne Ton ist »wie« eine Farbe, ein jedes Instrument hat einen
eigenen Hauptton, also auch eine eigene Hauptfarbe; »auf mehreren
Instrumenten hintereinander dieselben Töne« anzugeben, ist für das
Ohr ebenso einförmig wie für das Auge die Wirkung des Farben-
klaviers. Die einzelnen Töne eines und desselben Instruments sind
Nuancen einer einzigen Farbe, kraß ausgedrückt: auf der Flöte ge-
blasen, wird eine Tonleiter nur »blau« erscheinen.

Zur näheren Kennzeichnung der Art, wie Tieck auf Eindrücke des
Lichts und des Schalls reagierte, wird es nicht ohne Vorteil sein,
einige Beispiele aus der reichen wissenschaftlichen Literatur über die
Doppelempfindungen anzuführen. Ich erinnere nochmals an jene Stelle
der »Phantasien«, die besagt, zu jeder Darstellung in Farben gehöre
gewiß ein verbrüdertes Tonstück. Diese Forderung ist typisch. Kann
man doch häufig beobachten, daß unter jungen Kunstenthusiasten oder

') Vgl. Wackenroders Aussprüche in seinen Briefen an Tieck (Holtei, Briefe an
Tieck IV, 173) und in den »Phantasien«; darüber Koldewey S. 166 Anm.
 
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