422 BESPRECHUNGEN.
der Malerei treten hier als Verkleinerung beziehungsweise Verkürzung und geringeres
plastisches Hervortreten auf. Der Unterschied der beiden Reliefarten zeigt sich von
einer anderen Seite in dem Verhältnis zum Ornamentalen. Das plastische Relief
kann zu seiner Bildfläche, da diese nicht zur Darstellung gehört, nur im Verhältnis
des Schmuckes stehen. Die Bildfläche des malerischen Reliefs dagegen dient in
erster Linie der Darstellung und erst dann als Schmuck eines weiteren Zusammen-
hangs.
Der III. Abschnitt »Ein Stück Raumästhetik« behandelt vorwegnehmend ein
in sich geschlossenes Gebiet, die ästhetisch wichtigsten architektonischen, tekto-
nischen und keramischen Körperformen. Es ist nicht möglich, mit ein paar Worten
die Hauptpunkte anzudeuten oder auch nur eine Vorstellung von der tief eindringen-
den und bis ins Feinste sondernden Untersuchung zu geben. Die Zahl der ver-
schiedenen in den Gebilden als wirksam nachgewiesenen Raumkräfte und der
Kombinationen daraus ist schon bei der Lektüre des Werkes nicht leicht übersehbar.
Zeigt Lipps doch nicht weniger als 540 verschiedene mögliche Grundformen auf!
»Daß die herkömmliche Kunst- und insbesondere Architekturwissenschaft angesichts
dieser vielen Möglichkeiten mit den bekannten wenigen und teilweise so wenig
charakteristischen Namen sich durchschlägt, ist für den gegenwärtigen Stand dieser
Wissenschaft charakteristisch« (S. 397). — Ohne Zweifel ist der Kunstwissenschaft
mit der Lippsschen Arbeit nach dieser Seite hin ein wesentlicher Dienst geleistet.
Die Methode hat Ähnlichkeit mit derjenigen, die namentlich Wölfflin in der Kunst-
geschichte anwendet, und es tritt mitunter, wo beide Forscher zufällig denselben
Gegenstand behandeln, wie z. B. bei der Barockarchitektur, eine überraschende
Übereinstimmung zu Tage. Wo es sich um verhältnismäßig so einfache Gegen-
stände wie die abstrakten Raumformen handelt, wird die Beobachtung eines ein-
zelnen dem Eindruck, den der normale Beobachter überhaupt hat, auch ziemlich
nahe kommen. Immerhin möchte man lebhaft wünschen, daß bald eine größere
Zahl von psychologisch geschulten und ästhetisch beanlagten Personen die Forschung
auf eine breitere Basis stellte.
Der folgende Abschnitt »Formen der Raumkünste« bringt die systematische
Einführung in die Raumästhetik. Davon sind die beiden Kapitel »Allgemeines zur
Raumästhetik« und »Zur Ästhetik einfachster linearer Formen« schon unter der Über-
schrift »Zur ästhetischen Mechanik« in dieser Zeitschrift (I. Bd., 1. Heft) erschienen,
und ich kann mich daher mit einem Hinweis darauf begnügen. Zu dem Allgemeinen
ist ein »Kritischer Exkurs« hinzugefügt, der sich mit anderen Auffassungen, der
inneren Nachahmung, den Augenbewegungen, den Körperbewegungen beziehungs-
weise Organempfindungen auseinandersetzt. Zum Schluß werden die Bogen- und
Gewölbeformen behandelt.
Bis dahin sind die Raumformen betrachtet als abstrakte, soweit in ihnen nur
die allgemeinen mechanischen Kräfte wirksam scheinen. Im Abschnitt »Das tech-
nische Kunstwerk« werden sie in ihrer Beziehung zum Material und dessen
technischen Leistungen untersucht. In den Bildkünsten hat das Material nur inso-
fern Bedeutung, als es die physische Existenz des Kunstwerks sichert (und gegen-
über dem Dargestellten negierend wirkt), das Dargestellte ist auf das Material nur
übertragen und hat mit dessen Leistung nichts zu tun. Dagegen macht diese
Leistung (soweit sie für unseren Eindruck besteht) den eigentlichen Sinn des tech-
nischen Kunstwerkes aus. — Die geläufige Unterscheidung von »Werkform« und
»Kunstform« (welch letztere die erstere »umhüllen« soll) ist vom ästhetischen Stand-
punkte nicht richtig, denn die Werkform wirkt schon ästhetisch und wird nicht
»umhüllt«, sondern weiter ausgestaltet.
der Malerei treten hier als Verkleinerung beziehungsweise Verkürzung und geringeres
plastisches Hervortreten auf. Der Unterschied der beiden Reliefarten zeigt sich von
einer anderen Seite in dem Verhältnis zum Ornamentalen. Das plastische Relief
kann zu seiner Bildfläche, da diese nicht zur Darstellung gehört, nur im Verhältnis
des Schmuckes stehen. Die Bildfläche des malerischen Reliefs dagegen dient in
erster Linie der Darstellung und erst dann als Schmuck eines weiteren Zusammen-
hangs.
Der III. Abschnitt »Ein Stück Raumästhetik« behandelt vorwegnehmend ein
in sich geschlossenes Gebiet, die ästhetisch wichtigsten architektonischen, tekto-
nischen und keramischen Körperformen. Es ist nicht möglich, mit ein paar Worten
die Hauptpunkte anzudeuten oder auch nur eine Vorstellung von der tief eindringen-
den und bis ins Feinste sondernden Untersuchung zu geben. Die Zahl der ver-
schiedenen in den Gebilden als wirksam nachgewiesenen Raumkräfte und der
Kombinationen daraus ist schon bei der Lektüre des Werkes nicht leicht übersehbar.
Zeigt Lipps doch nicht weniger als 540 verschiedene mögliche Grundformen auf!
»Daß die herkömmliche Kunst- und insbesondere Architekturwissenschaft angesichts
dieser vielen Möglichkeiten mit den bekannten wenigen und teilweise so wenig
charakteristischen Namen sich durchschlägt, ist für den gegenwärtigen Stand dieser
Wissenschaft charakteristisch« (S. 397). — Ohne Zweifel ist der Kunstwissenschaft
mit der Lippsschen Arbeit nach dieser Seite hin ein wesentlicher Dienst geleistet.
Die Methode hat Ähnlichkeit mit derjenigen, die namentlich Wölfflin in der Kunst-
geschichte anwendet, und es tritt mitunter, wo beide Forscher zufällig denselben
Gegenstand behandeln, wie z. B. bei der Barockarchitektur, eine überraschende
Übereinstimmung zu Tage. Wo es sich um verhältnismäßig so einfache Gegen-
stände wie die abstrakten Raumformen handelt, wird die Beobachtung eines ein-
zelnen dem Eindruck, den der normale Beobachter überhaupt hat, auch ziemlich
nahe kommen. Immerhin möchte man lebhaft wünschen, daß bald eine größere
Zahl von psychologisch geschulten und ästhetisch beanlagten Personen die Forschung
auf eine breitere Basis stellte.
Der folgende Abschnitt »Formen der Raumkünste« bringt die systematische
Einführung in die Raumästhetik. Davon sind die beiden Kapitel »Allgemeines zur
Raumästhetik« und »Zur Ästhetik einfachster linearer Formen« schon unter der Über-
schrift »Zur ästhetischen Mechanik« in dieser Zeitschrift (I. Bd., 1. Heft) erschienen,
und ich kann mich daher mit einem Hinweis darauf begnügen. Zu dem Allgemeinen
ist ein »Kritischer Exkurs« hinzugefügt, der sich mit anderen Auffassungen, der
inneren Nachahmung, den Augenbewegungen, den Körperbewegungen beziehungs-
weise Organempfindungen auseinandersetzt. Zum Schluß werden die Bogen- und
Gewölbeformen behandelt.
Bis dahin sind die Raumformen betrachtet als abstrakte, soweit in ihnen nur
die allgemeinen mechanischen Kräfte wirksam scheinen. Im Abschnitt »Das tech-
nische Kunstwerk« werden sie in ihrer Beziehung zum Material und dessen
technischen Leistungen untersucht. In den Bildkünsten hat das Material nur inso-
fern Bedeutung, als es die physische Existenz des Kunstwerks sichert (und gegen-
über dem Dargestellten negierend wirkt), das Dargestellte ist auf das Material nur
übertragen und hat mit dessen Leistung nichts zu tun. Dagegen macht diese
Leistung (soweit sie für unseren Eindruck besteht) den eigentlichen Sinn des tech-
nischen Kunstwerkes aus. — Die geläufige Unterscheidung von »Werkform« und
»Kunstform« (welch letztere die erstere »umhüllen« soll) ist vom ästhetischen Stand-
punkte nicht richtig, denn die Werkform wirkt schon ästhetisch und wird nicht
»umhüllt«, sondern weiter ausgestaltet.