Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 28.1934

DOI Artikel:
Souriau, Étienne: Die Hauptrichtungen der gegenwärtigen französischen Ästhetik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14173#0069
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Hauptrichtungen der gegenwärtigen französischen

Ästhetik.

Von

Etienne Souriau.

I. Noch vor etwa dreißig Jahren wirkte für viele französische
Philosophen und vor allem für die studierende Jugend jeder literarische
Beigeschmack in der Philosophie abstoßend. So ist es heute nicht mehr.
Nach einer offensichtlichen Feindschaft kann man, wie wir glauben, im
gegenwärtigen französischen Denken eine fortschreitende Versöhnung
zwischen Philosophie und Kunst beobachten. Nichts überzeugt hiervon
mehr, als wenn man sein Augenmerk auf die Haltung der jungen Gene-
ration richtet. Ihr bedeutet die Beschäftigung mit der Philosophie weder
den Verzicht auf die Kunst, noch auf den vertrauten Umgang mit der
Literatur; vielmehr begegnet sie diesen beiden ganz im Gegenteil mit
sichtbarer Achtung. Ein Verhältnis von neuer und kennzeichnender Be-
deutung, das übrigens auf Gegenseitigkeit beruht; denn die Literatur ist
heute mehr als je von ihrer Seite her merkbar beseelt von dem Wunsche
nach Vertiefung und philosophischer Besinnung. Dies zu untersuchen
gehört aber nicht mehr zu unserer Aufgabe.

Natürlich ist eine solche Lage dem allgemeinen Studium der Kunst
und insbesondere der philosophischen Ästhetik günstig. Kann man aber
darum im Augenblick von einer Renaissance der französischen Ästhetik
sprechen? Dies Wort ist keineswegs am Platze; denn Untersuchungen
solcher Art sind in Frankreich niemals völlig vernachlässigt worden,
woran wir noch mit einigen Worten zu erinnern Gelegenheit haben werden.
Auf jeden Fall zeigt sich aber auch hier ein neu erwachtes Interesse: das
beweisen die Dissertationen, die über diesen Gegenstand erscheinen, die
Fachprüfungen1), die sich an den Universitäten mehren; ferner die Auf-
sätze in den philosophischen Zeitschriften; und, als noch bedeutsameres
Symptom, der Erfolg, den vom ersten Jahre ihres Bestehens ab die in
Paris gegründete Gesellschaft für Ästhetik gefunden hat2), die unter dem

i) Ein Diplom für höhere ästhetische Studien wird in Frankreich an den Uni-
versitäten Paris, Lyon und Aix-en-Provence erteilt.

-') Die „Association pour l'Etude des Arts et des Recherches relatives ä l'Art"
hat ihren Sitz in Paris, Rue Michelet 3. Ehrenpräsident Paul Valery; Präsident
 
Annotationen