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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 28.1934

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BESPRECHUNGEN

ein irdisches Analogem zum Weltschöpfer. Hier wird dann ein bedeutsamer Aus-
blick auf die Kunstanschauung der Renaissance gegeben, wie denn fast kein Ab-
schnitt dieses Büchleins in eindimensionalem Nacheinander bloß bei einem Denker,
einer Theorie verweilt, sondern — Schranken des zeitlichen Ablaufs übersprin-
gend — im Nebeneinander geisteswissenschaftlicher Zusammenschau Verwandtes
vorhergehender wie nachfolgender Zeiträume behandelt. Viel Raum ist der Ästhetik
des Aristoteles gewidmet, die nach mehreren Seiten zur Darstellung gelangt. Die
Verwurzelung seiner ästhetischen Grundanschauungen mit seinen ethischen Normen
zeigen die Abschnitte „y.aXoxAyadia" und „Das Maß der Mitte". Den psychologi-
schen Ansatz seiner Ästhetik und Kunstlehre (zugleich den Beginn der psychologi-
schen Betrachtungsweise in der Ästhetik) führt uns der Abschnitt „Katharsis" vor,
wogegen sich das Kapitel „Nachahmung" mit dem objektivistischen Teil seiner
Kunstlehre beschäftigt. Den für die moderne Organismus- und Gestalttheorie (nicht
nur auf ästhetisch-kunstwissenschaftlichem Gebiet) so wichtigen Gedanken der Prio-
rität des Ganzen gegenüber den Teilen behandelt der Abschnitt „Einheit in der
Mannigfaltigkeit".

Das letzte der Antike gewidmete Kapitel bespricht den entscheidenden Fort-
schritt, den Plotins Denken über Plato hinaus vollzieht, indem die Spannung zwi-
schen Kunst und Schönheit aufgehoben, die Kunst von ihrem Makel befreit wird.
Mit dem folgenden Abschnitt „Die Wahrheit" betritt Utitz den Boden der Neuzeit.
Er macht also — wie die meisten früheren Geschichten der Ästhetik — den „Sprung
über das Mittelalter". Hier wäre nun vielleicht Gelegenheit zur Frage, ob sich nicht
doch ein kleiner Abschnitt hätte einschalten lassen, in dem die Leistungen dieser
Epoche auf dem Gebiet der ästhetischen Theorie wenigstens andeutend zu würdigen
gewesen wären. Heute wissen wir doch viel mehr über das Mittelalter, als Zimmer-
mann und Schasler wußten, vor allem ist uns sehr klar geworden, daß die Meinung
unrichtig ist, dieser Zeitraum habe nichts Fruchtbares zur Lehre vom Ästhetischen
beizusteuern gehabt. Bei Augustinus findet sich im Rahmen einer Erörterung des
Tragischen eine interessante Theorie der emotionellen Funktionslust, ferner ein
wichtiger gestalt-ästhetischer Gedanke, der über Plotin hinausführt. Die Scholastik
bildet dann manches davon weiter. Thomas von Aquin gibt treffende Bemerkungen
zur Charakteristik des ästhetischen Verhaltens und seines interesselosen Kontempla-
tionscharakters. Indes kommt Utitz auf den Letztgenannten bei Gelegenheit Kants
in Form eines aphoristischen Hinweises zu sprechen und zudem ist nichts mißlicher,
als mit dem Autor eines unter Raumnot leidenden Kompendiums über Fragen der
Ein- und Verteilung zu rechten.

Die Besprechung der neuzeitlichen Ästhetik setzt mit dem Rationalismus der
Kunstlehre Boileaus ein, die Schönheit und Wahrheit in engste Beziehung bringt.
Ein folgender Abschnitt führt uns die Korrektur der einseitigen Intellektualästhetik
Boileaus durch den Abbe Dubos vor, dessen ästhetische Theorie für das früher ver-
nachlässigte Gefühl eintritt. Hier kommt es zum erstenmal in der Geschichte der
Ästhetik zu einer geschlossenen Theorie der emotionellen Funktionsfreuden im ästhe-
tischen Verhalten, die freilich den Ästhetikern der Folgezeit die Möglichkeit mancher
Korrekturen bietet. Von Dubos aus kommt der Verfasser zur Besprechung der eng-
lisch-schottischen Ästhetik — von ihren Vertretern findet Home eingehendere Er-
wähnung —, die mit Dubos den psychologischen Ansatz teilt. Der psychologisch-
anthropologischen Forschungsrichtung tritt dann die vom logischen Gesichtspunkt
aus begründete Ästhetik der Wolff-Schüler Baumgarten und Meier gegenüber. Die
nun entstehende systematische Ästhetik gibt sich als philosophische Lehre von der
Vollkommenheit sinnlicher Erkenntnis. Trotz rationalistischer Engen kommt es auch
 
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