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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 28.1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.14173#0126
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BESPRECHUNGEN

Hagen schon in der Einleitung: „Im Gegensatz zu diesem Entwicklungsprinzip liegt
dieser Arbeit der Glaube an die lebendige Entfaltung des Mystikers Rilke zu-
grunde, der aus allen ureigenen Werken zu uns spricht." Es ist für den unbefange-
nen Leser ebenso schwer einzusehen, was, gerade vom psychologischen Blickpunkt
betrachtet, Umarbeitungen bedeuten sollen, wenn nicht Symptome einer Entwick-
lung, wie was der Verfasser unter einem Mystiker versteht. Dies Wort kehrt zwar
immer wieder, aber trotz dieser Wiederholungen wird dem Leser nichts anderes
klar, als daß Hagen Rilke für einen Mystiker hält: „Rilke ist eben von Grund auf
Mystiker", meint Hagen und hofft, der „gebildete" Leser wird sich darunter schon
irgend etwas denken können.

Ganz unverständlich wird leider die Terminologie der Arbeit an der Stelle,
die über Rodin handelt; leider, denn sicher kommt Hagen an der Stelle dem Grund
der Rilkeschen Umarbeitungen am nächsten. Rodin und sein „il faut travailler tou-
jours" in seiner Bedeutung für das gesamte Rilkesche Werk aufzuhellen, ist für ein
Verständnis Rilkes äußerst wichtig. Der Verfasser weist auch auf die Rolle des „il
faut travailler toujours" gerade für die Umarbeitungen ausdrücklich hin, aber es
bleibt leider bei diesem Hinweis. Denn daß „Rodin für Rilke das Erlebnis des
kunstpsychologischen Schaffens, Cezanne ... das Erlebnis des kunstästhetischen Ge-
staltens" genannt wird, ist keine Erklärung: psychologisch kann die Betrach-
tung des künstlerischen Schaffens sein, nicht das Schaffen selbst; ästhetisch ist nie-
mals das künstlerische Gestalten.

Vollends ungeduldig macht das zweite Kapitel, das „die Umarbeitungen in
ihrem ästhetischen Zusammenhang" behandeln soll. Hagen druckt eine Reihe sehr
schöner Gedichte ab und ergeht sich in schrankenloser Bewunderung darüber, „wie
fein dieses rhythmische Unterscheidungsvermögen (in Rilke) ausgeprägt ist", „wie
tief" er sei und „wie unendlich fein Rilke auch das Ganze einer Gedichtsammlung
im Auge hat". Hätte Rilke kein rhythmisches Unterscheidungsvermögen gehabt, so
wäre er ein schlechter Dichter gewesen, und es hätte sich erübrigt, ihn zu inter-
pretieren. Solche Lobeshymnen, die eine Interpretation vortäuschen, wirken peinlich.

Das dritte Kapitel „Die Umarbeitungen in ihrem psychologischen Zusammen-
hang" bringt nichts, was in dem ersten, zu dem es sachlich gehört, nicht auch
hätte stehen können und auch zum großen Teil schon steht. Das vierte und letzte
trägt den anspruchsvollen Titel „Die Umarbeitungen in ihrem philosophischen Zu-
sammenhang" und zeigt eine derartige Verwirrung der Begriffe und Sachen, daß
selbst eine Kritik sinnlos erscheint.

Berlin. Hannah Arendt.

V. Kongreß für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft.

Nach gemeinsamem Beschluß der Gesellschaft und des Wiener Ortsausschusses
wird der Kongreß infolge der Zeitverhältnisse vertagt. Weitere Mitteilung erfolgt
möglichst bald.
 
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