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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 28.1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.14173#0284
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BESPRECHUNGEN

seines Volkes oder der Menschheit überhaupt" zur Gestaltung bringt. Daraus ergibt
sich die Norm: Je größer die Gemeinschaft ist, die an dem Kunstwerk Anteil-
nahme bezeigt, desto bedeutsamer ist das Kunstwerk. Auch das ästhetische Nach-
erleben wird als schöpferischer Akt gedeutet. Im Kunstgenuß bringen wir das
Kunstwerk selbst hervor, machen wir uns das Geistesleben des Künstlers zu eigen,
„sofern wir dem Künstler gleichartig sind". Im nacherlebenden Wirkungsakt tritt
das gegenständliche Erfassen zurück, „wir nähern uns dem bloßen Bewußtsein des
Soseins und Andersseins", d. h. jenem Lebenszustande, in dem nach der Auf-
fassung von Lipps das Wirken in der Abfolge der einzelnen Erlebnisse als bestimm-
tes Zumutesein sich offenbart. Es ist ein vom Ich- und Gegenstandsbewußtsein
unterschiedenes stimmunghaftes Erleben gesteigerter Lebensfülle.

Ich begrüße es, daß die Verfasserin diesen Sachverhalt vom Standpunkt der
Lippsschen Wirkenslehre aus gesehen hat. Doch ist die Auffassung weder neu noch
ihre Grundlegung so einfach, daß sich auf so beschränktem Raum und mit so
schlichten methodischen Mitteln auch nur ein Aufriß des Problemkomplexes geben
läßt. Die ästhetische Bedeutung der Gegenstandsfunktion bleibt völlig im Dunkel.
Wenn das Objekt so belanglos ist, daß ein farbiges Stückchen Papier ein „ausge-
zeichnetes ästhetisches Verhalten auslösen kann", so ist nicht zu verstehen, daß wir
im Gegenstand „unser eigenes lebendiges Sein" erfassen. Eine Unterscheidung des
ästhetischen Wert-Seins von der Sphäre der außerästhetischen Kulturfunktion am
Kunstwerk ist durch die oben erwähnte Norm gänzlich hintertrieben.

Berlin. Rudolf Odebrecht.

Demetrius Vesanis (Athen): Das ästhetische Grundproblem
und seine systematische Lösung. Carl Heymanns Verlag. Berlin
1932. 27 S.

Wenn auf „logisch-diäretischem Wege" die Ortsbestimmung des Ästhetischen
von seinem Genus proximum her erfolgen soll, so darf erwartet werden, daß
zwischen Verfasser und Leser über Inhalt und Umfang des übergeordneten Be-
griffes volles Einverständnis besteht. Das aber ist leider nicht der Fall. Es wird
erklärt, daß das Ästhetische und Ethische zwei Lebensgebiete seien, die der Sphäre
des Willens angehören, wobei Wille mit Stellungnahme gleichgesetzt wird. Schon
hier müssen wir widersprechen. Aktvollziehungen als Stellungnahmen werden heute
in ganz bestimmter Weise von Willensakten unterschieden (Husserl, D. v. Hilde-
brand, E. Stein, H. Reiner). Nennen wir jedes Antworten des Ich auf eine Ge-
gebenheit Stellungnahme, so gehören auch Stellungnahmen der Affirmation und
Negation hierher, woraus sich ergibt, daß dieser Begriff nicht zur deutlichen Ab-
grenzung des fraglichen Gebietes von der theoretischen Sphäre dienen kann. Der
Begriff des Wollens wird vom Verfasser außerdem so weit gedehnt, daß er Han-
deln und Leiden gleichmäßig unter sich begreift. Wollen ist „wesensgemäß Energie
oder Leiden", Leiden, das er „Endwollen" nennt, ist ihm Ja-sagen zu einem Sach-
verhalt. Daß das Ja-sagen eben ein besonderer Stellungnahmeakt dem Leiden
gegenüber ist, der doch nur in sehr seltenen Fällen hinzutritt, scheint dem Ver-
fasser nicht bekannt zu sein. Als Ergebnis der ziemlich verworrenen Willens-
theorie stellt sich die Trivialität heraus, daß das Ästhetische gleichbedeutend mit
dem Gefallenden ist. Nach dieser „Grundlagen"-Untersuchung geht der Verfasser
zur Systematik der ästhetischen Seinsarten über. Etwas ist schön (wird endgewollt):
entweder an sich, oder weil es in uns die Vorstellung eines anderen schönen Din-
ges erweckt, oder uns in eine „schöne" Gefühlslage versetzt, oder endlich schöne
 
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