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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 28.1934

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286

BESPRECHUNGEN

sich die einzelnen Verfasser thematisch und methodisch in die Hände arbeiten, um
jenes Bild einer neuen Kunstwissenschaft erstehen zu lassen, deren Umrisse Hans
Sedlmayr im 1. Band der K. F. unter dem Titel „Zu einer strengen Kunstwissen-
schaft" gezeichnet hat.

Diese „strenge" oder wie es auch heißt „zweite" Kunstwissenschaft geht nun
nicht darauf aus, den bisherigen Wissenschaftsmethoden eine bisher unbekannte
Methodik entgegenzusetzen, sondern eine versteckt bisher schon in Fragmenten
vorhandene, da und dort bruchstücksweise angewandte, ins Bewußtsein zu heben,
das Getrennte sinnvoll zusammenzuordnen und das sich so ergebende Bild eines
Systemtorsos zu ergänzen und auszugestalten.

Die Fruchtbarkeit einer Idee kann sich also zum Dritten daran erweisen, ob
sie im ganzen Bereich des Wirklichen Platz hat. Und auch unter diesem Gesichts-
punkt muß man feststellen, daß die Idee der Strukturforschung als Keim seit
Dilthey und Riegl weithin bereit lag und es nur jener Selbstbewußtwerdung einer
Idee bedurfte, um sie einheitlich zu entwickeln.

Für die Darlegung dieser Methodik ist es nun besonders glücklich, daß der
Band mit einer Arbeit eingeleitet wird, die sich zum Gegenstand eine Kunst ge-
wählt hat, die weder durch psychologische Einfühlung noch durch bloße Eindrucks-
ästhetik erfaßt .werden kann — die ägyptische. Die Verfahrensweise einer Struktur-
analyse wird wie in einer Programmusik von Guido Kaschnitz-Weinberg in dem
Aufsatz „Bemerkungen zur Struktur der ägyptischen Plastik" umfassend und be-
deutend vorgeführt. Wir wollen versuchen, den methodischen Ablauf seiner Unter-
suchung herauszulösen, da er in Ergänzung mit demjenigen der anderen Beiträge
den Charakter der Allgemeingültigkeit trägt.

Vorfrage einer Strukturanalyse: Welche Grundeinstellung des Betrachters
gegenüber dem Gegenstande muß als die fruchtbarste gewählt werden? Im beson-
deren Fall der ägyptischen Plastik ergibt sich dabei: Die Befragung nach ästhe-
tischen Werten ist für die Grundanalyse nebensächlich, da die ägyptischen Skulp-
turen zunächst nicht auf eine ästhetische Wirkung zielen. Die dem Kunstwerk
gemäße Haltung muß als erstes ermittelt werden. Damit nimmt die Analyse eine
Doppelbewegung auf, einmal in das Objekt hinein, andrerseits Bewegung im be-
trachtenden Subjekt selbst. Die Einstellungsprüfung rückt nicht nur das Kunstwerk
in das richtige Licht, sondern bewegt auch die Stellung des Scheinwerfers. Erst von
dieser vorästhetischen Plattform aus kann man untersuchen „das kausale Abhängig-
keitsverhältnis dieses modernen ästhetischen Erlebens von dem Wesen des struk-
turellen Aufbaus" (S. 22).

Ist einem diese Voraussetzung einer Strukturanalyse, nämlich die Einstellungs-
prüfung, einmal klar geworden, dann wird mit einemmal das übliche kunsthisto-
rische Verfahren von unbefriedigender Subjektivität. Das Objekt soll uns sagen,
wie es betrachtet sein will (das Kunstwollen des Objekts ist zu ermitteln) und
nicht soll das Objekt nach unserem Begriffsfragebogen ausgehorcht werden. Wie
aber erteilt das Objekt uns seine Antwort? Indem wir das Objekt in den ihm ge-
mäßen Lebensraum stellen, war der Lösungsvorschlag der Milieutheorie von Taine
bis Dvofäk. Dvofäks „Kunstgeschichte als Geistesgeschichte" vertiefte zwar den
Begriff des Milieus vom Sozialen zum Weltanschaulichen, war aber doch stets der
Gefahr ausgeliefert, den Gegenstand selbst in seine Geistesumwelt und Geistes-
voraussetzungen aufzulösen. Nicht die Methode, sondern Dvofäks außerordent-
liches künstlerisches Gefühl hat ihn immer wieder vor dieser Gefahr bewahrt.
Diese Lösung wird also von den Nachfolgern Alois Riegls abgelehnt. „In der
Struktur des Kunstwerks spiegelt sich nur die allgemeine Sphäre dieser „geistigen
 
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