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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 28.1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.14173#0307
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BESPRECHUNGEN

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im Verbände mit der Nachbarform, „sprechende" Architektur (d. h. Architektur
als Gleichnis von Empfindungen), Autonomie der Baustoffe mit der Tendenz zur
Auswirkung der in ihnen waltenden Gesetzlichkeiten, das sind die Eigentümlich-
keiten einer „autonomen Architektur". Die Arbeit läßt vielleicht eine straffere Zu-
sammenfassung der gewonnenen Charakterisierungen für den unvorbereiteten Leser
vermissen. Man erfährt nichts über die eigenartige Annäherung von Architektur
und Skulptur im Zeitalter des Klassizismus („Zur Plastik gehört die Bildhauer-
kunst und Baukunst" Kant, Kritik der Urtheilskraft I, § 51), die erst Ledoux Ge-
bilde als Architektur-Denkmal ganz verständlich macht. Auf die Antinomie zwi-
schen abstrakten Tendenzen und naturimitativen (im Sinne Rousseaus), die Ledoux
Entwürfe deutlich in zwei Teile teilt, wird nicht eingegangen. Besonders aber hätte
das Problem der technischen Ausführbarkeit (Lichtzufuhr in den fensterlosen Häu-
sern usw.) einige Aufmerksamkeit verdient. Auch sähe man bei der Strukturmono-
graphie über ein völlig neues Material das Phänomen doch gerne im Rahmen
seiner Umwelt, um einen Begriff von der Bedeutung der Erscheinung zu gewinnen.

Ledoux ist nämlich der erste in dem Bereich der sogenannten „Revolutions-
architektur", die aber in Wahrheit schon um 1770 ihren Anfang genommen und in
den Preisausschreiben der Pariser Akademie in den achtziger Jahren ihren deutlich-
sten Niederschlag gefunden hat. Gilly, Weinbrenner, Haller v. Hallerstein und ihre
Zeitgenossen können nur aus dieser Perspektive richtig verstanden werden. Noch
im Jahre 1806 bringt ein deutsches Populärwerk: Grohmanns „Ideenmagazin für
Liebhaber von Gärten" Abbildungen nach Ledoux. Dann gerät er in Vergessenheit.
Erst das Zeitalter eines Gropius und Corbusier mußte ihn nach historischen Struk-
turgesetzen „wiederentdecken".

Vielleicht durch Raummangel bedingt, hat diese letzte Arbeit nicht die Ge-
sammeltheit der vorhergehenden Aufsätze. Eine stärkere Zusammenschmelzung mit
dem vorzüglichen Aufsatz desselben Verfassers „Klassizismus als Tendenz und
als Epoche" in den kritischen Berichten 1931/33 S. 201 hätte bestimmt zu einem
befriedigenderen Ergebnis geführt.

Die Besprechung sollte aufzeigen, daß dieser Sammelband die weitesten Mög-
lichkeiten zur Anregung für die gesamte Kunstwissenschaft besitzt. Noch wäre von
philosophischer Seite her zu klären, inwieweit der aus der Wissenschaftstheorie
eines Mannheim, Wertheimer, Koffka, Lewin stammende Begriffsapparat, inwieweit
die aus der Experimentalästhetik (Werner, Allesch) stammenden Bestimmungen
logisch einwandfrei verwendet worden sind. Auffallend für den Referenten ist
ferner der Umstand, daß die eigentlich philosophische Phänomenologie gar keine
Erwähnung findet. Eine Vergleichung der selbstgewonnenen Methodik mit den
Philosophien Diltheys und Husserls kann vielleicht zu einer Sicherung und Or-
ganisierung des eigenen Wissenschaftsverfahrens dienen. Aber auch jetzt schon
wird man sagen können, daß die „Wiener Schule" in der Nachfolge Alois Riegls
eine neue Lebensfülle gewonnen hat, die in verschiedene Strombetten sich ergießend
und doch aus einer Quelle gespeist, das ganze Gebiet der kunstgeschichtlichen For-
schung befruchten wird. In der Doppelbewegung der Methode in das Phänomen
hinein einerseits, in das forschende Subjekt hinein andrerseits liegt die Umfassungs-
kraft der Strukturforschung beschlossen.

Berlin. Alfred Neumeyer.

Leopold Speneder, Die Kunst in unserer Zeit. Eine Einführung.
(Kleine historische Monographien. Beilage der Berichte zur Kultur- und Zeit-
 
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