Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 28.1934

DOI article:
Besprechungen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14173#0393
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
BESPRECHUNGEN

379

sieren, daß ein wesentlicher Zug, wie das Ästhetische, doch in seinem modernen
Sinne wirksam wird und nun wieder eingeführt die Einheit des platonischen Wer-
kes im Grunde verändert. Dies gilt vom Ästhetischen genau so wie vom Politi-
schen und vom Wissenschaftlichen. Unseren landläufigen Begriff von Wissenschaft in
Piaton hineinzutragen, ist ja längst als irreführend anerkannt worden. Wer nun aus
eigener Mitte heraus das Ganze Piatons ohne dauernde Selbstprüfung und waches
Bewußtsein des Abstandes neu zu erzeugen unternimmt, bleibt in der Gefahr, die
eigene Auffassung Piaton aufzudrängen, anstatt von dem, was Piaton wirklich
war, zu lernen und sich von ihm bilden zu lassen (vgl. das Goethezitat am Schluß
dieser Anzeige). In dieser Gefahr ist jede Auffassung, die den Akzent allzu stark
von der eigenen Philosophie Piatons wegverlegen will. Daß Piaton trotz aller der
andern Züge des Gründers, des Politikers, des Sehers und Dichters doch schließ-
lich der Philosoph war, bei dem iniav^fir} und q-QÖvtjaig die üoez/j auch des
politischen Menschen bezeichnen, dies sollte doch zu keiner Zeit verdeckt werden.
Grade wenn die möglichen Entartungen der Wissenschaftlichkeit, der Intellektuali-
tät sichtbar hervortreten, sollte der Anteil, den Piaton dem Logos und der Ratio
an der Bildung des sittlichen und politischen Menschen zuweist, möglichst genau
in seinen Grenzen bestimmt werden. H. betont wieder wie seine Vorgänger
völlig zu Recht, daß Logos und Ratio nicht das Einzige und nicht das Letzte sind,
sondern daß Piaton im 7. Brief und sonst an einen irrationalen Kern des Persön-
lichen rührt, von dem aus alle Ratio, aller Logos erst letzte Richtung und Zu-
sammenfassung, Einsatz und Verwirklichung erhält, was gewiß kaum jemand be-
streitet. Wie frei H. hierbei mit den Tatsachen, die jede Interpretation zu berück-
sichtigen hat, umgeht, zeigt seine Bemerkung S. 338 über die bekannte Stufen-
folge VII. Brief p. 342 b: „Welche Überraschung, daß Logos und damit Dia-
lektik auf die zweitunterste Stufe verwiesen ist! Dialektik ist Vorbereitung der
Ideenlehre, und Diairese ist Vorbereitung der Dialektik". Nun ist aber Logos, wie
sehr häufig in der platonischen Spätphilosophie, hier zunächst nicht der innere
Logos der Seele, sondern das rtev/na <5iä rov ord,«aroc Löv iiexä qr&öyyov(Soph. 263 e).
Es ist die ausgesprochene, aus 6vö,aava und (»'ißam zusammengesetzte Definition;
weder mit dem vollen „Begriff" noch gar mit der Dialektik kann daher dieser Logos
gleichgesetzt werden. Damit fallen die Folgerungen weg, die H. hier zieht: „Wider-
spricht es nicht allen früheren Platon-Deutungen, daß die Erscheinungsdinge höher
stehen als der Logos?" (338). Denn es widerspricht auch dem Gesamtsinn die-
ser Stelle. Alle vier Stufen sind gleich notwendig für die Erfassung des
„Fünften", das Piaton grade nicht Idee oder Eidos nennt, wie H. ohne weiteres
deutet. Auch die „Erscheinungsdinge", wie H. das eiöa/.ov faßt, erhalten ihr Sein
dadurch, daß sie auf das Fünfte hinweisen, das ihnen ihren Sinn als „Sinn-Bildern"
gibt. Das gilt aber genau so von den anderen Stufen. Das Wort kann ebenfalls
als verleiblichter Sinn aufgefaßt werden, die Definition ist auch nur Definition,
wenn in ihr auf das Seiende hingewiesen wird usw. Das Bestreben, den „Logos",
den Begriff, die Definition — besonders die durch Diairesis gefundene, von der übrigens
im VII. Briefe gar nicht die Rede ist, — herabzusetzen, läßt H. einen Chorismos
der letzten Stufe hier hineininterpretieren und läßt ihn die Immanenz des Fünften in
allen anderen Stufen übersehen, die zu seiner Grundauffassung viel besser stimmen
würde.

Zu einer Auseinandersetzung im einzelnen ist hier nicht der Ort1), denn die
im engeren Sinne philosophischen Aussagen H.s sind so unbestimmt, daß sie zu

i) Vgl. meine Darstellung des tldo/.ov „Sokrates", Jahrg. 47 (1921), S. 68 ff.
und „Der Begriff der Erleuchtung bei Piaton", „Die Antike" Bd. II (1926), S. 238.
 
Annotationen