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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 28.1934

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BESPRECHUNGEN

nach den möglichen Formen ästhetischer Weltschau überhaupt". Indem der Ver-
fasser die Wandlungen beleuchtet, welche die Problematik des ästhetischen Men-
schen etwa seit der Mitte des 18. Jahrhunderts durchgemacht, indem er die Rolle,
die sie in dieser Zeit gespielt hat, aufzeigt, bietet er „weniger Geschichte einer
abstrakten Idee als einer ganz bestimmten Form des Menschen": „wir rühren hier
beständig an letzte Fragen der Lebensführung wie der Rangordnung der Werte".
Denn die Bedeutung des ästhetischen Problems, das bei dem angedeuteten Umfang
ohne weiteres zur Frage „ästhetischen Primats" wird, verlangt vom Beurteiler,
zumal in der jetzigen Zeit weltanschaulicher Umwälzungen, auch wertende Stellung-
nahme, und zwar nicht eine, wie sie dieser Frage gegenüber bisher gern einge-
nommen wurde, in Bausch und Bogen verdammende oder aber kritiklos gutheißende,
sondern eine allseitig besonnen abwägende. „So ist die Frage nach dem ästhetischen
Typus und seiner Geschichte in der deutschen Literatur zugleich die nach den mög-
lichen Formen ästhetischer Weltschau überhaupt. Und führt all dies mit Notwendig-
keit auf das unendliche Thema Kunst und Leben, so erkennen wir gerade dieses als
völlig unerschöpflich und betrachten in unserem Zusammenhang die Kunst weniger
in ihrem genetischen Herauswachsen aus dem Leben und in ihrer selbstgenügsamen
Ablösung vom Leben als in ihren Rückwirkungen auf das Leben wie in ihren
reichen Verflechtungen mit dem Leben, dem Leben des einzelnen wie dem der Ge-
meinschaft".

In einem grundlegenden systematischen ersten Teil erörtert Obenauer theore-
tisch und historisch die Bedeutung, die die Problematik des ästhetischen Menschen
im Geistesleben hat. „Der ästhetische Mensch" wird als Begriff umschrieben, was
„ästhetische Weltanschauung" sei, erörtert, „die Welt als Bühne" von der Stoa bis
zu Hofmannsthal kurz beleuchtet, „ästhetische Religion in Mystik, Mythologie und
Romantik" aufgezeigt und „die ästhetische Erziehung von Piaton bis Shaftesbury"
durchlaufen. In diesen fünf Abschnitten ist alles systematisch Wesentliche der inhalt-
reichen Fragestellung gründlich berührt.

Ehe wir aber noch auf Einzelheiten der historischen Darlegungen Obenauers
eingehen, müssen wir uns deutlich vor Augen halten, daß den hier von allen Seiten
beleuchteten Begriffen des Ästhetischen, des ästhetischen Menschen, des ästhetischen
Typus, des Primats des Ästhetischen usw. natürlich keineswegs ein eindeutiges,
schlicht zu umreißendes Wissen vom Ästhetischen zugrunde liegt. Wäre dem so, so
könnte, eingerechnet selbst die wechselnde Gesamtgeisteshaltung verschiedener Zei-
ten, doch kaum der ästhetische Typus, die ästhetische Haltung einerseits Stärke,
andrerseits Schwäche oder aber teils Stärke und teils Schwäche sein. Die „Proble-
matik des ästhetischen Menschen" ist eben Problematik auch in dem Sinn eines
Bedeutungsreichtums, der verschiedenartige Beurteilungen und Wertungen nicht nur
zuläßt sondern auch fordert. Derselbe Ausdruck umgreift so vielerlei Lebenserschei-
nungen, daß scheinbare Widersprüche ihrer Wertung nichts anderes besagen, als
daß hier eben auch sehr verschieden artige Erscheinungen zur Beurteilung stehen.

Die beiden weiteren Hauptabschnitte des gewichtigen Buches sind der Bedeu-
tung einzelner Persönlichkeiten für das in Frage stehende Problem gewidmet. In
zwei Gruppen faßt Obenauer diese zusammen, die er „Gestalten der Goethezeit"
und „Ausklang und Verfall" überschreibt. Im Rahmen dieser Besprechung können
aus der Überfülle geistvoller Betrachtungen, die auch diese beiden Abschnitte
bergen, natürlich nur einige Einzelheiten herausgehoben werden. Unter den Ge-
stalten der Goethezeit gibt es zunächst Vorläufer und Wegbereiter: Winckelmann
und Rousseau, Heinse und die Geniezeit, Herder und Moritz, Jean Paul. In
Winckelmann, dem die Problematik des ästhetischen Menschen gewissermaßen
 
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