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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

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Herrmann, Helene: Forderungen musischer Erziehung bei Schiller und Plato
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https://doi.org/10.11588/diglit.14176#0042
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HELENE HERRMANN

gen Mannes Vortrag nachahmend darstellt und, was er sagt, nach jenen
Vorschriften redet, die wir schon anfänglich gesetzlich gemacht haben,
als wir uns darangaben, die Krieger zu erziehen"1).

Unmittelbar auf diese Abwehr des rein ästhetischen Standpunktes, der
die „Buntheit" und wahllose Lebendigkeit der Inhalte durch die voll-
endete Form der Darbietung rechtfertigen möchte, folgt die Erörterung
der Musik im engeren Sinne, „der Art und Weise der Gesänge und
ihrer Begleitung"2). Auch hier wird sowohl in den Worten als in der
Tonsetzung und dem Zeitmaß aufs strengste ausgewählt und alles ab-
gelehnt, was erschlaffend wirkt, sowohl das Klagende wie das Be-
rauschende, alles was die Sinne entzügelt und die Seele löst; gewählt
dagegen wird das Anspannende, und zwar in zwiefacher Hinsicht,
das kriegerisch Aufmunternde und das, was zu besonnener Mäßigung
festigt. Auch auf die Instrumente erstreckt sich die Auswahl — Wahl
der Leier, Verwerfung der Flöte — alles nach dem festen Glauben, daß
das Wohlgemessene der Kunst Seelen maßhaft bilde, und wiederum, daß
die so gewachsene Seele auch in der Kunst nur hervorbringe und liebe,
was Maß hat. In diesem Sinne gipfelt der Abschnitt über die musikalische
Erziehung der Wächter in dem Satz: 'Ast de nov veXemäv %a ^ovoixä eig %d

zov y.aXov igovixd'3).

Noch eine andere Stelle desselben Buches kommt in Betracht, die, die
von der gleichmäßigen Erziehung durch Gymnastik und Musik handelt
(das bedeutet ja, wenn nicht die Tonkunst besonders bezeichnet wird,
nach der von Plato im 2. Buch deutlich gegebenen Erklärung4) musische
Bildung im allgemeinen): „Also sprach ich, o Glaukon, die, welche die
Erziehung durch Musik und Gymnastik anordnen, meinen es damit nicht
so, wie einige glauben, um nämlich durch die eine den Körper zu bilden
und mit Hilfe der anderen die Seele." „Aber warum denn sonst?" fragte
er. „Sie mögen wohl", sprach ich, „beide meistenteils der Seele wegen
anordnen." „Wie das?" „Bemerkst Du nicht", sprach ich, „wie sich
der Seele selbst nach diejenigen verhalten, die ihr Leben lang mit der
Gymnastik wohl sich zu schaffen machen, mit der Musik aber sich
gar nicht befassen, und so auch die, welche es umgekehrt halten?"
„In welcher Beziehung", sprach er, „meinst Du es?" „In Beziehung auf
Rauhigkeit und Härte und wiederum auf Weichlichkeit und Milde."
„Da weiß ich wohl", sagte er, „daß die sich einseitig der Gymnastik Er-
gebenden rauher werden als billig, und wiederum die der Musik, weich-

*) Piatons Ausgewählte Werke. Deutsch von Schleiermacher. 5. Bd. München
1918. S. 132.

2) Ebenda S. 133 f.

3) Piatonis Opera recogn. J. Burnet. Tom. IV. Oxonii s. a. nofaxda III, 403 c.

4) 'MovoLxfjg ö\ bItcov, Ti&eZg Aöyovg, rj ov; "Eycoye'. Ebenda II, 376 e.
 
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