Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

DOI Artikel:
Lützeler, Heinrich: Die Lautgestaltung in der Lyrik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14176#0207
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Lautgestaltung in der Lyrik.

Von

Heinrich Lütjeler.

Es ist eines der Hauptanliegen gegenwärtiger Kunsttheorie, das
Leben der künstlerischen Form zu klären. Außerordentlich
reich sind die Ansatzpunkte dieser Forschungen: kunstgeschichtliche
(etwa bei Wölfflin), literarhistorische (etwa bei Walzel), philosophische
(etwa bei Odebrecht); außerordentlich vielgestaltig sind die Fragestellun-
gen: Faktoren der Form, Stil und Grundstile, äußere und innere Form,
Form und Volkstum, Form und menschliche Gemeinschaft usw. Aus all
diesen Untersuchungen drängt sich immer wieder eine Frage hervor: ob
nicht der Gehalt des Kunstwerks zum Teil n u r in der Form erscheint, so
daß derjenige, der lediglich das Motivische des Werks beachtet, nur einen
Teil des Gehalts erfaßt und damit das Werk als Ganzes nicht erfaßt; es
ist die Frage nach dem motivunabhängigen, sozusagen autonomen Leben
der Form.

In diesen Zusammenhang heutiger kunsttheoretischer Bemühung
möchte sich auch die folgende Studie über die Lautgestaltung in der
Lyrik einordnen; sucht sie doch zu erweisen, daß die Lautgestaltung in
der Lyrik keineswegs nur eine schmückende Zugabe zu sein braucht, son-
dern vom innersten Kern des Gedichts geprägt sein kann, und daß die
also sinnträchtige Lautgestaltung gewissen Gehalten zum Ausdruck ver-
hilft, die oft nur in der Lautgestaltung und nicht etwa in der Komposition
oder im reinen Gedicht-Inhalt zum Ausdruck kommen. Dabei ist unter
Lautgestaltung die künstlerische Formung von Alliteration und Assonanz
sowie die schöpferische Verwendung des (z. B. hellen oder dunklen, har-
ten oder weichen) Charakters von Lauten zu verstehen. Ungefähr in diese
Richtung zielen die folgenden Bemerkungen.

So lautet denn die leitende Frage: Was vermögen Laute zur schöpfe-
rischen Gestaltung eines Gedichts beizutragen? Es ist klar, daß die Frage
nach der künstlerischen Bedeutung der Lautgestaltung vorzüglich an die
Lyrik gerichtet werden muß; denn wenn auch Drama und Epos gelegent-
lich die Lautgestaltung als Formmittel einsetzen, so geschieht es doch nur
beiläufig, während in der Lyrik dieses Formmittel zentral
werden kann. Wieviel für die Gesamtheit des Gedichtes mitunter von der

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XXIX. 13
 
Annotationen