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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

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Herrmann, Helene: Forderungen musischer Erziehung bei Schiller und Plato
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https://doi.org/10.11588/diglit.14176#0065
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FORDERUNGEN MUSISCHER ERZIEHUNG BEI SCHILLER U. PLATO 51

das Denken erhöhten, geschichtlichen Wirklichkeit anhöbe. Denn an dem
Staat des Absolutismus hatte Schiller vernichtende Kritik geübt, nicht nur
in den Jugenddramen, in denen er seine Auswüchse geißelt, sondern vor
allem im „DonCarlos", wo er seine Idee angreift. Der Staat der franzö-
sischen Revolution, der eine Vernunftordnung zu sein beanspruchte, er-
scheint als deren bloßes Zerrbild. Es steht zwischen beiden zeitlich der
friderizianische Staat, an den Schillers Denken wohl als an eine ge-
schichtlich-gegebene Wirklichkeit hätte anknüpfen können. Doch hier
hätte er nur im Staatslenker selbst, der sich freiwillig dem erkannten und
erkämpften Gebot unterordnet, dieses aber den Untertanen auferlegen
muß, den Bürger des idealen Staates sehen können, noch nicht, wie er es
forderte, in den Bürgern allen.

Das überindividuell-personhaft offenbarte Sittengesetz, das protestan-
tisch Kantische Gewissensgebot, mit dem die menschliche Natur sich
zu versöhnen, das sie unter unentbehrlicher Hilfe der Schönheit in ihrem
eigensten Kreis schon anzuerkennen hat, es ist noch nicht in einer realen
Ordnung gegenständlich geworden, und der Gedanke muß das Bild einer
solchen Ordnung auf die Erde herabholen. Schwebt dem Denker aber die
griechische Mig in ihren Umrissen vor (wie es der 6. Brief andeutete),
so ist sie ihm nur ein freilich unersetzbares Sinnbild dessen, was auf einer
völlig andern Seinsstufe völlig neu geschaffen werden müßte.
 
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