BEMERKUNGEN
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dern fehle der geistliche Einschlag. Aber sie brauchen das Geistliche nicht, denn diese
ganze Kunst ist tief religiös. Das Geistliche ist in ihr das schwebend Geistige und
zugleich das bebend Sinnliche; und doch ruht sie in ihrem Christentum.
Ich möchte das Raum-Erlebnis in der Lyrik Eichendorffs an der Bildgebung, an
der Klang-Gestaltung und an der rhythmischen Bewegung darstellen und aus ihr wie-
der das Zusammenfassende: das Wandertum deuten. Das sinnliche Raumgefühl aber
bedeutet dabei immer entweder das geistige, oder es deutet auf das geistige;
denn beides ist nicht zu trennen.
1. Das Raum-Erlebnis im Bild.
Eichendorff hat ein auffallendes Sinnbild für das Schweben zwischen Himmel
und Erde im Jubel: das Bild der Lerche. Denn unter dem Lerchenflug liegen
der ziehende Himmel und die weitgebreiteten Wälder und Berge gleichermaßen nah
und entfernt. Es gibt keinen Lyriker, bei dem dies Motiv so häufig ist und doch nie-
mals ermüdet, weil damit ein immer neues Landschafts-Erlebnis und ein immer neues
Aufsteigen zu den lichten Geheimnissen angedeutet ist; es gleicht dem immer erneuten
Aufschwung des wesentlichen Lebens selbst. „Die Lerche" heißen zwei seiner
ergreifendsten Gedichte.
1.
„Ich kann hier nicht singen,
Aus dieser Mauern dunklen Ringen
Muß ich mich schwingen
Vor Lust und tiefem Weh.
O Freude, in klarer Höh'
Zu sinken und sich zu heben,
In Gesang
Über die grüne Erde dahinzuschweben,
Wie unten die licht' und dunklen Streifen
Wechselnd im Fluge vorüberschweifen,
Aus der Tiefe ein Wirren und Rauschen und Hämmern,
Die Erde aufschimmernd in Frühlingsdämmern,
Wie ist die Welt so voller Klang!
Herz, was bist du bang?
Mußt aufwärts dringen!
Die Sonne tritt hervor,
Wie glänzen mir Brust und Schwingen,
Wie still und weit ist's droben am Himmelstor."
2.
„Ich hörte in Träumen
Ein Rauschen gehn,
Und sah die Wipfel sich säumen
Von allen Höhn —
Ist's ein Brand, ist's die Sonne?
Ich weiß es nicht,
Doch ein Schauer voll Wonne
Durch die Seele bricht.
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dern fehle der geistliche Einschlag. Aber sie brauchen das Geistliche nicht, denn diese
ganze Kunst ist tief religiös. Das Geistliche ist in ihr das schwebend Geistige und
zugleich das bebend Sinnliche; und doch ruht sie in ihrem Christentum.
Ich möchte das Raum-Erlebnis in der Lyrik Eichendorffs an der Bildgebung, an
der Klang-Gestaltung und an der rhythmischen Bewegung darstellen und aus ihr wie-
der das Zusammenfassende: das Wandertum deuten. Das sinnliche Raumgefühl aber
bedeutet dabei immer entweder das geistige, oder es deutet auf das geistige;
denn beides ist nicht zu trennen.
1. Das Raum-Erlebnis im Bild.
Eichendorff hat ein auffallendes Sinnbild für das Schweben zwischen Himmel
und Erde im Jubel: das Bild der Lerche. Denn unter dem Lerchenflug liegen
der ziehende Himmel und die weitgebreiteten Wälder und Berge gleichermaßen nah
und entfernt. Es gibt keinen Lyriker, bei dem dies Motiv so häufig ist und doch nie-
mals ermüdet, weil damit ein immer neues Landschafts-Erlebnis und ein immer neues
Aufsteigen zu den lichten Geheimnissen angedeutet ist; es gleicht dem immer erneuten
Aufschwung des wesentlichen Lebens selbst. „Die Lerche" heißen zwei seiner
ergreifendsten Gedichte.
1.
„Ich kann hier nicht singen,
Aus dieser Mauern dunklen Ringen
Muß ich mich schwingen
Vor Lust und tiefem Weh.
O Freude, in klarer Höh'
Zu sinken und sich zu heben,
In Gesang
Über die grüne Erde dahinzuschweben,
Wie unten die licht' und dunklen Streifen
Wechselnd im Fluge vorüberschweifen,
Aus der Tiefe ein Wirren und Rauschen und Hämmern,
Die Erde aufschimmernd in Frühlingsdämmern,
Wie ist die Welt so voller Klang!
Herz, was bist du bang?
Mußt aufwärts dringen!
Die Sonne tritt hervor,
Wie glänzen mir Brust und Schwingen,
Wie still und weit ist's droben am Himmelstor."
2.
„Ich hörte in Träumen
Ein Rauschen gehn,
Und sah die Wipfel sich säumen
Von allen Höhn —
Ist's ein Brand, ist's die Sonne?
Ich weiß es nicht,
Doch ein Schauer voll Wonne
Durch die Seele bricht.