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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.14176#0081
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BESPRECHUNGEN

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ersteren, die M.-Fr., auf Kerschensteiner fußend, nur innerhalb der Kinderkunst ver-
folgt, der die Höchstleiststufe der „formgemäßen Darstellung" noch unerreichbar
bleibt. Diese wird nur nebenbei ohne näheres Eingehen auf die Entfaltung des
linearen Ausdrucks in den Ausführungen über die Raumperspektive gestreift, deren
Bedingtheit durch künstlerisches Übereinkommen M.-Fr. mit vollem Recht behaup-
tet, zumal auch für das zentralperspektivische System, das nach neueren Feststel-
lungen (Bakusinskijs) keineswegs dem beidäugigen Sehen gerecht wird. Ebenso wert-
voll ist der Abschnitt über die Farbengebung in der Malerei, in dem die Ergebnisse
der experimentellen Psychologie (von Katz und Jaensch) volle Berücksichtigung ge-
funden haben. M.-Fr. stellt sich damit auf den Boden der zuerst von Helmholtz aus-
gesprochenen Erkenntnis, daß nur eine malerische Naturübersetzung durch Steige-
rung der Farbenkontraste oder Zusammenstimmung von Durchschnittswerten der
Farbe möglich ist. Sie geht in zwei Hauptrichtungen auseinander, indem entweder
mehr der sensorische Reiz der Farbe (und damit die dekorative Wirkung) zur Gel-
tung gebracht wird (Kolorismus und Expressionismus) oder eine Abwandlung im
Sinne der Beleuchtungsfarbe erfolgt — nämlich mittels der Einführung eines Grund-
tons (Impressionismus). Dabei ist wiederum die Abhängigkeit der so erzielten Raum-,
Luft- und stofflichen Erscheinungswerte von künstlerischem Übereinkommen fest-
zustellen. Zu ergänzen wären diese Ausführungen durch das schon von Goethe er-
kannte Gesetz der Polarität der warmen und kalten Farben und die allerdings noch
zu schaffende Lehre von den Farbenskalen. Die letzte Frage nach den psychologi-
schen Voraussetzungen der Bildkomposition rindet nur eine kurze, aber wegweisende
Beantwortung, in der die verschiedenen Wirkungsmöglichkeiten für die sukzessive
oder simultane Auffassung (bzw. Sehweise) und die Beziehungen der malerischen
zur dichterischen Gestaltung angedeutet werden.

Im Endergebnis findet M.-Fr. seine Grundanschauung, daß eine innere Einheit
im Gesamtreich der Kunst nicht nachweisbar sei, bestätigt, da die Wesensverschie-
denheit der Einzelkünste bis in ihre Wurzeln zurückreiche und durch ihre außer-
künstlerischen Bestandteile verstärkt werde. Höchstens gebe es zwischen manchen
von ihnen gewisse Übereinstimmungen, wie z. B. im Übersetzungscharakter des Ge-
genstandsgehalts zwischen Dichtkunst und Malerei, dagegen kein durchgehendes
Grundgesetz. Ohne die tiefen Unterschiede der sensorischen und imaginativen Vor-
stellungsbildung im einzelnen zu verkennen, muß ich doch daran festhalten, daß uns
durch die Kunstlehre A. Schmarsows als gemeinsame Grundlage, auf der sie sich
überall entfaltet, ein solches rhythmisches (also motorisches) Hausgesetz der gesam-
ten Kunst erschlossen worden ist (s. D. Lit. Z. 1918, Nr. 40, 50, Sp. 1015 f. und
Zeitschr. f. K.-Gesch. 1933, S. 207 ff.), wenngleich zweifellos bei den musischen Kün-
sten das einfühlende, bei den bildenden hingegen das anschauende Verhalten im Kunst-
genießen überwiegt. Dieser grundsätzliche Vorbehalt und die vorhergehenden Ein-
wendungen sollen jedoch in keiner Weise meine Anerkennung der hier gebotenen
Leistung mindern. Zwar fehlt diesem Teil noch die vollkommene Abgeklärtheit der
beiden ersten Bände, die Schuld daran trägt aber nicht nur der Umstand, daß die
äußeren Hindernisse die vom Verfasser beabsichtigte Überarbeitung vereitelt haben,
sondern vor allem die Neuheit und der Umfang der Aufgabe. Fehlte es doch bisher
noch auf den meisten Gebieten an ausreichenden Vorarbeiten über die künstlerischen
Gestaltungsgesetze und ihre geistigen Wurzeln. Diese „Psychologie der Künste" be-
deutet daher keinen Abschluß, sondern einen Anfang. Es bedarf der Mitarbeit der
Kunstforscher jeden Schlages für den weiteren Ausbau der psychologischen Kunst-
 
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