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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.14176#0098
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84

BESPRECHUNGEN

So hat Lechter den Dichter Stefan George erlebt. So huldigte er ihm, als
er am Dreikönigstage 1934 zu seinem Gedächtnis sprach. Dem Abdruck ist ein
Wort Hofmannsthals vorgesetzt:

Die wahre Ernte aller Dinge bleibt und

Blüht in hoher Luft wie lichte Zinken

Das andre war nur da um wegzusinken.

Einige wundervolle Sätze, die der 22jährige Hofmannsthal über Georges
Jugendwerk schrieb, führen in die fünffach geteilte Einleitung. An diese schließen
sich vierzehn „Stationen". Inhaltlich sind beide Teile kaum voneinander unterschieden.
Lechter stellt sinnvoll Dichtungen und Umdichtungen Georges zusammen, streut
gelegentlich fremde Lieder und Sprüche ein und gibt sparsam eigene Sätze. So soll
„der gesalbte Werker im lautersten Lichte erstehen", so soll „das ur-musisch-
orphische" in dieser „nun jenseitig gewordenen Geist-Gestalt" aufgerufen werden.

Von anderer Art ist Morwitzens Buch. Es kann zunächst als eine Erläuterungs-
schrift jedem Vortrager und Leser der Georgeschen Gedichte gute Dienste leisten,
da Form, Inhalt und Gehalt des einzelnen Gebildes — wenigstens vielfach — auf-
gehellt werden. Darüber hinaus jedoch wird der Zusammenhang, in dem die
Lieder und ferner die Bücher zueinander stehen, deutlich gemacht. Schließ-
lich weist Morwitz auch auf Wesen und Entwicklung des Dichters hin, zum
Glück ohne nach Art der Literaturwissenschaft Einzelheiten hervorzuheben. Man
spürt, daß Morwitz aus genauester Kenntnis und vor allem ganz aus dem
Geist des „Kreises" spricht. Damit ist freilich dem Neuling der Zugang erschwert,
selbst wenn er ein allgemeines Verständnis des Dichterischen und volle Bereitschaft
mitbringt. Die Sprache Morwitzens ist ein reines und edles Deutsch, der Ausdrucks-
weise Lechters durchaus überlegen, indessen eine so gedrungene Sprache, daß sie
mehr Aufmerksamkeit erfordert als gemeinhin aufgebracht wird. Nehme ich dies
alles zusammen, so entsteht mir der Eindruck, daß dies Buch für die Kenner
Georges ein unbedingt zuverlässiger Helfer und als geistige Gabe von hohem Werte
ist. Der rauschhaften Beschwörung Lechters gesellt sich ein Bild, das bleiben wird.

Berlin. Max Dessoir.

Reinald Hoops: Der Einfluß der Psychoanalyse auf die eng-
lische Literatur. (Anglist. Forschungen 77.) Heidelberg 1934.

Eine Forderung erfüllt der Verfasser dieser Arbeit in vollem Umfang: die
Neigung des jüngsten englischen Schrifttums für eine im 20. Jahrhundert bedeut-
same wissenschaftliche Theorie in einer klaren Linie aufzuzeichnen. Die Theorie
selbst, ihre Aufnahme in der Wissenschaft und in der breiten Öffentlichkeit, und ihr
schließliches Übergreifen in das Gebiet der Literatur werden übersichtlich dar-
gestellt. In den vier Hauptgruppen finden wir fast alle bedeutenden Namen moderner
englischer Romanschriftsteller eingeordnet, Dichtung und Drama werden ihrer ge-
ringeren Abhängigkeit wegen entsprechend kürzer behandelt. Durch vorsichtige
Beurteilung der einzelnen Werke in ihrer Beziehung zur P.A., unterstützt durch
persönliche Fühlungnahme mit vielen Autoren, hat es der Verfasser geschickt ver-
mieden, den Eindruck zu erwecken, als ob er die gesamte innere Haltung der eng-
lischen Literatur der letzten Jahrzehnte nur unter diesem einseitigen Gesichtspunkt
sehen könne. Gerade die vorsichtige Ausdrucksweise, mit der er Grund und Gegen-
grund für „direkten Einfluß" abwägt und sich schließlich meist für indirekten, nur
unterstützenden Einfluß entscheidet, führt zu einer gewissen Schwäche in der Er-
fassung des Problems überhaupt.
 
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