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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.14176#0199
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BESPRECHUNGEN

185

Vorstellung von der Idealbeschreibung abhängig, sie ist weiter auf den Hörer und
seine besonderen Anforderungen abgestimmt, der so in die Beschreibung mit ein-
geht. Schließlich ist sie auch gebunden an das Darstellungsmittel der Sprache, von
deren Reichtum und Beweglichkeit ihre Ausgestaltung weitgehend mitbestimmt wird.
Durch diese Fülle von Fakten, die der fertigen Beschreibung ihr Gepräge geben,
wird natürlich auch der Vorgang des Beschreibens selbst geformt. Alle diese Mo-
mente werden der Reihe nach aus den Protokollen mit Sorgfalt in der großen Viel-
fältigkeit ihrer Abwandlungen herausgeholt.

Dabei ergibt sich, daß das Beschreiben ein Vorgang ist, der mit den wichtigsten
seelischen Prozessen in engstem Zusammenhang steht. Das direkte und indirekte
Erfassen eines Gegenstandes, das Verarbeiten eines Gegenstandes, das Umsetzen
eigener psychischer Gegebenheiten in Begriffe und Sprache, das Aufgabelösen über-
haupt in seinem vielgestaltigen Verlauf und noch manche andere Vorgänge werden
durch diese Beschreibungen in anschaulicher Weise illustriert. Das hier dargebotene
Material läßt sich als Beispielsammlung für ganz allgemeine psychologische Erörte-
rungen verwenden.

Daß sich auch für die Ästhetik daraus manche wichtigen Hinweise ergeben, ist
selbstverständlich. Ist doch das Beschreiben in seinen verschiedenen Formen ein
Grundtatbestand sowohl in den Künsten selbst wie in den Wissenschaften, die sich mit
Kunst befassen. Trotzdem sind Untersuchungen, die sich die Klarlegung des Be-
schreibungsvorganges als Aufgabe stellen, nur sehr selten unternommen worden. Es
sei hier vor allem an Dessoirs wichtige Arbeit über die Bildbeschreibung bei kurzen
Expositionszeiten, die im Band VIII dieser Zeitschrift erschienen ist, erinnert. Auch
von dieser Seite her wäre dem allgemeinen Problem der Beschreibung noch manches
konkrete Ergebnis abzugewinnen.

Greifswald. J. von Allesch.

Leandro Ozzöla: Das Problem des Individuellen in der bil-
denden Kunst. Deutsch von M. Ozzöla-Schoen. Straßburg: Heitz 1934. 125 S.

Dies ist die Grundthese des Buches: der Wissenschaft stehe der Ausdruck von
Begriffen, der Kunst aber der Ausdruck des Individuellen zu. Schon damit ist das
eigentlich sachgegründete Problem überdeckt: wie sich das Individuelle zum Kon-
kreten und wie sich in der Kunst das Individuelle zum Wesenhaften verhält. Die Er-
gebnisse des Buches werden noch fragwürdiger durch die Umkehrung der Grund-
these: jeder individuelle Ausdruck sei künstlerisch, insofern es sich um die erstmalige
Schöpfung dieses Ausdrucks handle; denn der Mensch könne sich nur wissenschaft-
lich oder künstlerisch ausdrücken, demnach ... Nietzsche hat einmal gesagt: „Die
Antithese ist die enge Pforte, durch welche sich am liebsten der Irrtum zur Wahr-
heit schleicht." Durch die antithetisch unsachgemäße Konstruktion gerät das Buch
vor den Tatsachen dauernd in Schwierigkeiten und muß zu gezwungenen Deutungen
greifen. Kinderzeichnungen sollen z. B. wegen ihrer Schematik der Wissenschaft nahe-
stehen. Dramatische Charaktere seien um so origineller, je individueller sie seien;
das ganze Wertreich einer Kunst des Typischen ist damit übersehen. Vor griechischer
Kunst der Vorklassik nimmt dann der Verf. zu der Ausrede die Zuflucht, ihre Ge-
stalten seien nicht Typen, sondern wenig individualisierte Individuen (wobei doch das
„wenig" wohl einen geringeren Rang andeuten muß). Im Grunde ist nur gesagt, daß
die Kunst nicht begrifflich, daß sie Einzelding ist. Aber das ist längst Allgemeingut
der Erkenntnis geworden; inzwischen ist darüber hinaus eine mannigfache positive
Wesenslehre der Kunst geschaffen worden.

Bonn. H. Lützeler-
 
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