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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

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BESPRECHUNGEN

267

Hermann Pongs: Krieg als V o 1 k s s c h i c k s a 1 im deutschen
Schrifttum. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte der Gegenwart. Stuttgart,
Metzler, 1934. 91 S. RM. 2.85.

Als vor einigen Jahren C y s a r z sein Buch „Zur Geistesgeschichte des Welt-
kriegs. Die dichterischen Wandlungen des deutschen Kriegsbilds 1910—1930" ver-
öffentlichte1), da vermochte diese erste Auseinandersetzung mit der deutschen Welt-
kriegsliteratur doch nur halb zu befriedigen, einerseits weil sie zu geistreich-intel-
lektualistisch, zu losgelöst vom einfachen, allgemeingültigen Wesen und Begreifen
des Volksganzen war, andererseits, weil sie eine eigne feste, aufrechte Stellungnahme
des Verfassers selbst der Grundfrage gegenüber nicht deutlich erkennen ließ. Erst
Pongs mit seinem hier vorliegenden Buch, einem erweiterten Aufsatz aus der Zeit-
schrift „Dichtung und Volkstum" (dem bisherigen „Euphorion"), gibt eine Zusam-
menschau der deutschen Weltkriegsliteratur, die den Gegenstand hinreichend erschöpft
und in ihrer Gesinnung voll befriedigt. Eine lückenlos vollständige Verarbeitung der
deutschen Kriegsliteratur will allerdings auch Pongs nicht bieten — doch wird man
kaum ein wesentliches Kriegsbuch bei ihm vermissen2) —; ihm liegt vielmehr daran,
dieselbe zu sichten unter dem Gesichtspunkt, inwiefern und wie weit „Krieg als
Volksschicksal" in ihr zum Ausdruck kommt. Das rechtfertigt ebenso die Auswahl
wie Anordnung und Beurteilung seiner Übersicht, für die vor allem auch rein künst-
lerische Maßstäbe nicht entscheidend sein sollen. So ist seine Untersuchung durch-
aus gehalts-, gesinnungsbetont, wenngleich sein ästhetisches Gewissen ihm stets
bewußt hält, „daß roher Stoff niemals Volksdichtung wird, mag er noch so völkisch
sein".

Im Hinblick auf seine derart umgrenzte leitende Fragestellung konnten dem
Verfasser die sonst naheliegenden Einteilungsgesichtspunkte des Stoffes, etwa nach
Waffengattungen, Rangstufen, einzelnen Kampfhandlungen nicht dienen. Er mußte
sich daher aus dem Geist der Volksgemeinschaft heraus neue bilden, und so sind es
denn vor allem die Fragen nach der sozialen Bürtigkeit der Verfasser und nach
Kameradschaft und Führertum, am Volksbegriff von gleicher Bedeutung wie Natur
und Geist am Einzel-Ich, die ihm das Ganze des Kriegsschrifttums entwirren und
gliedern helfen. Außerdem geben noch die entscheidende Zweiheit: Tatsachenbericht
— Dichtung und die Dichtungsgattungen Einteilungsgrundsätze ab. So entsteht ein
äußerst vielseitiges, gehaltvolles literar- und geistesgeschichtliches Bild voll wohl-
abgewogener Urteile, aus dem sich Namen wie Lersch, Bröger, Zöberlein, Flex, Jün-
ger, Euringer, Seldte, Sander, Dwinger, Mechow, Wehner, Alverdes, P. Ernst, Bin-
ding, Carossa, Blunck, Griese, Grimm, George herausheben. Ist Pongs' Buch also
einerseits ein höchst begrüßenswerter Führer durch das so vielseitige und unüber-
sichtliche Kriegsschrifttum, als solcher durch ein Namenregister noch besonders
erschlossen, so vermittelt es andrerseits tiefe Einblicke und Erkenntnisse in Literatur
und Dichtung als Ausdruck von Volkserlebnissen und Volksschicksal und ist daher
auch in erzieherischem Sinne sehr wertvoll.

Greifswald. Kurt Gassen.

*) Halle, Niemeyer 1931.

2) Begrüßt hätte ich etwa noch um ihrer formalen wie gehaltlichen Werte willen
ein Eingehen auf die Erzählung aus dem Weltkrieg „Der Hauptmann" von Armin
Steinart [d. i. Friedrich Otto Arnim Loofs]. Stuttgart, Cotta 1916.
 
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