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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.14176#0284
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BESPRECHUNGEN

liegen und die dem Verf. vorschwebenden kultursynthetischen Zukunftsvisionen sind
Konzeptionen von hoher ästhetischer Bedeutung.

Wenn der Verf. die Leistungen der gegenwärtigen Kunst bespricht und sie aus
den Voraussetzungen des vorhergehenden Zeitraums ableitet, so handelt es sich ihm
dabei keineswegs bloß um theoretisch-kontemplative Erörterungen, sondern zum we-
sentlichen Teil um Stellung von Aufgaben für das künstlerische Schaffen der Folge-
zeit. Schon im kunstgeschichtsphilosophischen Abschnitt wird die aktivistische Hal-
tung des Buches deutlich; das philosophische Denken hat ja nicht nur hinter der
Wirklichkeit einherzuschreiten, sondern auch Ziele zu zeigen. Die Sinndeutung der Ge-
genwartskunst beginnt mit einer Betrachtung des 19. Jahrhunderts. Dieser so vielspältige
Zeitraum gewinnt mit einem Schlag innere Einheit, wenn man ihn als das Jahr-
hundert des Übergangs auffaßt, weil unter diesem Begriff zwei dem genannten Zeit-
raum in hohem Maß zukommende dialektisch entgegengesetzte Merkmale zusammen-
gedacht werden können: Rekapitulation der Vergangenheit und stürmischer Drang in
die Zukunft. Am Beginn des 19. Jahrhunderts steht die deutsche Klassik, die letzte große
Gestalt des abendländischen Geistes, zugleich aber — wegen des klassizistischen
Zuges in ihr — der Anfang des nunmehr einsetzenden raschen Formenwandels. Die
hier gegebene Betrachtung der deutschen Klassik zeigt mit beispielhafter Deutlich-
keit den wachen Sinn des Verf. für die dabei wirksame Dialektik der Ideengehalte
und der künstlerischen Gestalten. Treffend wird dargelegt, aus welchen Gründen
einer immanent-formalen Entwicklungslogik es zu der klassischen Gestaltungsweise
kommen mußte und welche ideengeschichtlichen Tendenzen sich im Gehalt der klas-
sischen Kunst verkörpern. Die auf die Klassik folgende romantische Periode beginnt
mit einer starken Betonung der schöpferischen Freiheit, was zu bestimmten künst-
lerischen Erscheinungen führt; auch hier bekundet sich des Verf.s Fähigkeit, klar
zusammenfassende Formeln zu rinden, ohne in vereinfachende geschichtsphiloso-
phische Konstruktionen zu verfallen. Der Wandel der Formen schreitet dann unent-
wegt weiter. Schon die klassizistische Architektur war eklektizistisch und bald fängt
man an, außer den antiken auch noch andere Vorbilder nachzuahmen. Zur Praxis
einer aus historischen Stilen auswählenden Architektur fügt Semper die Theorie hinzu.
Stil ist u. a. die Übereinstimmung eines Bauwerks mit seiner Baugeschichte, zu der
auch die im Bauwerk liegende Idee gehört, die ganz bestimmte Erinnerungsbilder
aus der Kunstgeschichte wachruft. So soll ein Gerichtshaus etwas vom Dogenpalast,
die Kaserne etwas von einer mittelalterlichen Festung haben. Diese Ansicht, von der
aus in die scheinbar willkürliche Gesetzlosigkeit des Eklektizismus eine gewisse Ein-
heit hineinkommt, wird von Eibl noch prägnanter gefaßt: die verschiedenen Zwecke
der Gebäude werden in verschiedenen Zeiten in mannigfaltiger Weise baukünstlerisch
gestaltet, indes gibt es für jede Idee eine beste Form und jeder historische Stil hat
für die eine oder andere Idee diese beste Form gefunden. Sehr hübsch ist die Zuord-
nung der einander ablösenden historischen Vorbilder zum jeweils herrschenden Le-
bensgefühl. Auch von hier aus kommt in das scheinbare Chaos einige Ordnung. So
vermag der philosophische Betrachter Leistung und Versagen des genannten Jahr-
hunderts gerecht zu beurteilen, während man früher, z. T. aus kunstpolemischer Geg-
nerschaft gegen den Historismus, die künstlerische Eigenart dieses Zeitraums allzu
gering bewertet hatte. Auf die Phasen des 19. Jahrhunderts folgen in der Moderne
die Richtungen des Impressionismus, Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit,
die nicht mehr historisch sind, sondern Besinnung auf Gegenwärtiges darstellen. Die
Besprechung dieser Richtungen führt zu einer kulturphilosophischen Zusammenschau,
wobei sich der Verf. von den bei solchen Gelegenheiten üblichen voreiligen Zuord-
nungen fern zu halten weiß. Der Impressionismus entdeckt die Schönheit der Augen-
 
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