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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.14176#0287
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BESPRECHUNGEN

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schenbild des Expressionismus und das höhnisch deformierte der Neuen Sachlichkeit
ins Gerümpel verweist. Die klaren und besonnenen Ausführungen Eibls zeigen wieder
einmal, wie nötig es stets von neuem ist, die Meinungen der Tageskritik, die zwischen
verständnisloser Unaufgeschlossenheit für das Neue und einem ebenso verständnis-
losen Verhimmeln jedes verkrampften Versuchs nur selten die Mitte zu halten weiß,
durch eine wissenschaftliche Betrachtung der Kulturleistungen ständig zu über-
wachen und zu korrigieren — aus der Erkenntnis der hohen Verantwortung, welche
die Wissenschaft für das Kulturschaffen der Volksgemeinschaft zu tragen hat. Auf
diese Pflicht hat vor einigen Jahren E. G. Kolbenheyer mit den mahnenden Worten
seiner denkwürdigen Schrift „Wo bleiben die Universitäten" nachdrücklich hin-
gewiesen.

Wir wenden uns nun zu den philosophisch-ästhetischen Erträgen von Eibls Buch.
Das an Piaton und der Scholastik gebildete Denken des Verfassers geht von der Über-
zeugung aus, daß wir in einer vorgeordneten Welt leben. Die Welt ist nicht chaotisch,
sondern enthält ein Gefüge objektiver Ordnungen, sie ist mehr als eine Mannig-
faltigkeit letzter Elemente, wie denn auch das Subjekt mehr ist als ein Treffpunkt der
Elemente. Wären die Ordnungsbegriffe wie Substanz und Kausalität lediglich Besitz
und Erzeugnis des denkenden Subjekts, entsprächen ihnen nicht Geordnetheitskorre-
late in der Welt der Dinge, so vermöchte das denkende Subjekt mit ihnen nichts
anzufangen: auf eine chaotische Welt wären die Ordnungsbegriffe nicht anwendbar.
In diesem Denkzusammenhang vermag der Verf. den Gedanken Kants von der
Affinität der raumzeitlichen Mannigfaltigkeit zu den Ordnungsbegriffen bedeutsam
weiterzuführen. Der ästhetische Charakter der Eibischen Metaphysik zeigt sich aber
nicht nur in der Ausrichtung auf geprägte Formen und geordnete Ganzheiten, son-
dern noch in manch anderem Zug. Seine Betrachtung des Naturverlaufs und der Welt-
ordnung arbeitet ständig mit Vergleichen aus dem Bereich des Ästhetischen. Die Be-
griffe der Planhaftigkeit und Teleologie kommen wieder zu Ehren, ästhetische Wert-
prinzipien werden auf ontologische, kulturphilosophische usw. Sachverhalte angewen-
det. Im Schlußabschnitt des „Aufbaues der Metaphysik" wird gezeigt, wie bestimmte
Eigentümlichkeiten des Lebens auf der Stufe des Geistes analog wiederkehren. Dabei
wird das für die Bereiche des organischen wie des geistigen Lebens gleicherweise
wichtige Prinzip der Geschlossenheit mit dem der Stilreinheit der philosophischen
und künstlerischen Ausdrucksformen verglichen. Das Wort Stil läßt sich auf die Ge-
stalten des Lebens übertragen. Innerhalb der Kulturen wie der Lebensformen gibt
es den Unterschied wesenhaft verschiedener Vollkommenheit; in ähnlicher Weise
wie ein Lebenstypus ist auch eine Kultur um so vollkommener, je reicher und zugleich
je geschlossener sie ist. Mehrfach werden die metaphysischen Voraussetzungen der
ästhetischen Werttheorie erörtert. Im Anschluß an Scheler wird die Einheitlichkeit
der sittlichen Natur des Menschen sowie die weitgehende Übereinstimmung der
menschlichen Werthaltungen behauptet und dadurch die Sicherung einer objektiven
Werttheorie als mögliche Aufgabe erwiesen. Die geistigen Gebilde machen den Ein-
druck, daß sie verschiedene Grade des Gelingens und der Sinnerfüllung aufweisen.
Es sieht so aus, als ob den Ordnungen geistiger Gebilde je eine Idee, eine Wesenheit
zugrundeläge, die in einzelnen konkreten Werken in verschiedener Annäherung er-
reicht wird. Es hat daher einen Sinn, nach der Idee, dem vollkommenen Gehalt einer
geistesgeschichtlichen Gestalt, z. B. des dorischen Tempels, zu fragen und nach ihr
die tatsächliche Leistung zu beurteilen. — In die hierarchische Ordnung der Werte
wird das Schöne an zwei Stellen eingegliedert. Zunächst erscheint es in der Gruppe
der biologischen Werte (Gesundheit, Kraft, Schönheit), dann aber auch in der über-
geordneten der geistigen Werte, deren Bestand in erster Näherung durch die Plato-

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XXIX. 18
 
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