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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.14176#0289
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BESPRECHUNGEN

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gleichen Mittelpunkt haben, einem Steinblock, der den Namen des Toten trägt, und
einem schlanken, hohen Kreuze; es bietet also keine Abbildung der Gestalt oder auch
nur des Kopfes. Im 19. Jahrhundert, so meint Schrade, hätte man darauf nicht ver-
zichtet, denn man glaubte noch an den Eigenwert des selbständigen Einzelmenschen.
Man wollte auch, daß dem Bilde eines Einzelnen der einzelne Beschauer gegenüber-
träte. Am Schlageter-Denkmal aber ist eigentlich nichts zu betrachten. Es ist im
Grunde eine Versammlungsstätte für eine Gemeinschaft vieler, die sich durch den
Namen Schlageters und das Sinnbild des Kreuzes vereinigt fühlen. In dieser Deutung
steckt eine Wahrheit, wie wir später sehen werden, aber sie kommt nicht klar heraus,
denn nach der gewählten Fassung müßte doch auf jede ästhetische Wirkung ver-
zichtet und die künstlerische Gestaltung nur noch so weit anerkannt werden, als sie
den in der Gruppenseele sich abspielenden Vorgang erleichtert.

Nach der beispielsmäßigen Einführung umreißt der Verfasser die Geschichte des
deutschen Denkmals und zwar in Schilderungen, die durch zwei Merkmale ausgezeich-
net sind: durch die Richtung auf das Grundsätzliche und eine selten anzutreffende
Sorgsamkeit der sprachlichen Darstellung. Vom Magdeburger Otto-Denkmal wird
behauptet, daß es, obwohl Denkmal einer Person, gewissermaßen eine öffentliche
Urkunde sei. Aber die späteren Kaiser- und Papst-Denkmäler gehören jedenfalls in
den Bereich des Individuellen. Von ihnen unterscheiden sich dann wieder die Grab-
denkmäler, Stiftergestalten, Rolandssäulen, da sie den Einzelnen in ein Ganzes setzen:
„wir, denen der Sinn für das Dasein in Ordnungen und für Orte, die jene symbolisie-
ren, wieder erwächst, ermessen es mehr als es das individualistische Zeitalter ver-
mochte, was die architektonische Bindung der mittelalterlichen Denkmäler bedeutet."
Selbst die Fürsten- und Feldherrndenkmäler sind in Deutschland vielfach noch im
architektonischen Zusammenhang mit Schlössern, Kirchen usw. geblieben. Im 18. Jahr-
hundert wird die Denkmalsidee moralisiert und patriotisiert: tugendhafte und vater-
ländische Gesinnung sollen geehrt werden; wieweit diese neue Zielsetzung zu einer
neuen Formgebung führt, wird nicht näher untersucht. Erst das Wittenberger Denk-
mal Luthers von Gottfried Schadow gibt dem Verfasser Anlaß zu längeren Betrach-
tungen, die darauf hinauslaufen, daß es deutscher Denkungsart eigentlich widerstehe,
Geisteshelden in voller Körperlichkeit auf den Denkmalssockel zu stellen.

Der Gedanke des Nationaldenkmals trat bei uns erst auf, als man nach dem Tode
Friedrichs des Großen ein Denkmal für ihn plante. Der Streit ging nämlich darum,
ob man den König als antiken Imperator darstellen sollte oder als Mann seines Volkes
und seiner Zeit; ferner ob man sich auf eine Bildsäule beschränken oder ein „Heilig-
tum des Vaterlandes" schaffen sollte. Aus den Entwürfen ragt derjenige Gillys her-
vor, obgleich er ganz von griechischer Wesensart durchzogen ist; auch das schließ-
lich verwirklichte Denkmal Rauchs ist ja nicht frei von solchen Erinnerungen. An
Gilly hat sich Klenze angelehnt, als er von einem „Denkmal des Weltfriedens" träumte.
Aber die Befreiungskriege ließen auch den Wunsch nach Denkmälern und Gottes-
häusern in „altdeutschem" und in gotischem Stil entstehen. Das einzige Werk, in dem
der Wunsch sich verwirklichte, war die Regensburger Walhalla —, aber sie wurde ein
griechischer Tempelbau, innen mit 175 Büsten und Namen ausgestattet, ohne Ver-
sinnlichung jenes überindividuellen Zusammenhanges, der in der Aufgabe eines
Nationaldenkmals liegt. Diese Aufgabe wurde erst klar erkannt, als man 1907 die
deutschen Künstler zum Wettbewerb aufrief für ein Bismarck-Nafionaldenkmal auf
der Elisenhöhe bei Bingen am Rhein.

Hier sei eine persönliche Bemerkung eingeschoben. Ich war sowohl an der Vor-
bereitung des Preisausschreibens als auch an den Arbeiten des Preisgerichts beteiligt
und ich habe meinen Standpunkt in einer Streitschrift festgelegt, die in meine „Bei-
 
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