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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.14176#0291
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BESPRECHUNGEN

277

Deutsche Romantikerzeichnungen. Einführung und Auswahl von Ed-
mund Schilling. Prestel Verlag Frankfurt a. M. 1935. 49 Tafeln, XVIII S.
Text.

Zu einem sehr wohlfeilen Preis wird jetzt von dem rühmlich bekannten Verlag
für Handzeichnungspublikationen eine Reihe von Bändchen zur Geschichte der Deut-
schen Zeichnung vorgelegt (z. B. altdeutsche Meisterzeichnungen). Der vorliegende
Band ist nach Text und Bild mustergültig. 49 Abbildungen, darunter 3 farbige, ver-
anschaulichen eine Zeichenkunst, die neben derjenigen der Dürerzeit repräsentativ für
den Deutschen Ausdruckswillen ist. Jedes Bild findet in dem Register eine knappe,
aber ausgezeichnet genaue Besprechung. Der Schwerpunkt liegt mit Recht auf den
Arbeiten der frühen Romantik. Dabei erscheint die Zusammenstellung von sich aus
stellenweise einen wohldurchdachten Text zu ersetzen. Schinkels Federzeichnung „Der
Morgen" und C. D. Friedrichs „Anbetende Engel" umrahmen zu Beginn des Buches
2 Blätter von Runge. Sie wirken wie Weiterführungen jener „plastischen Hieroglyphen"
(Görres), die Runge in seinen „Tageszeiten" aufgezeichnet. Friedrichs kaum bekann-
tes Blatt mit den Engeln, die zwischen den Wolken einer Lichtunendlichkeit entgegen-
schweben, wirkt wie ein Titelblatt der romantischen Religiosität. Auch des Künstlers
„Kreuz auf der Felsenspitze" ist besonders wichtig, weil es als Vorform zum Tetsche-
ner Altar erscheint, in dem die Bergkulisse noch nicht ihre letzte rhythmisch angeord-
nete Vereinfachung erfahren hat. Eine unbekannte Seite von Franz Pforr wird man in
der Küstenlandschaft des Städel kennen lernen, die den Nazarener stimmungsmäßig
und sogar technisch der norddeutschen Gruppe eines Friedrich annähert. Das an-
mutige Blatt Overbecks „Junges Paar unter Bäumen" dürfte mit der Gedankenwelt
der Villa Massimo-Fresken zusammenhängen. Zum erstenmal veröffentlicht wird eine
später verworfene Vorzeichnung des Cornelius zu seiner Faustfolge. Bei der köst-
lichen Zeichnung des Fohr von Trient wird mit Recht darauf hingewiesen, daß Dürer
seine Ansicht dieser Stadt von dem nämlichen Standpunkt aus aufgenommen hat. Bei
Horny hätte man gerne seine bedeutendste Zeichnung wiedergesehen, die Obsternte
des Lübecker Behnhauses. Ferdinand v. Olivier und J. A. Ramboux werden durch far-
bige Tafeln geehrt. In der Tat gehören diese mildfarbigen Landschaftselegien der
Nazarener zum schönsten, was die romantische Periode hervorgebracht. Ein sub-
limer Farbgeschmack läßt einen in der Wirkung teppichhaften Ausgleich zwischen
Farbe und Linie zustande kommen. Von ähnlicher Vollkommenheit scheint mir Schnorr
v. Carolsfelds Zeichnung seines Freundes Friedrich v. Olivier. Der zart die Form um-
fassende Linienzug hat hier die klassizistische Härte und Abstraktion völlig verloren
und wird zum gemäßen Ausdrucksträger einer naturnahen Sensitivität. Welch er-
schreckender Absturz, wenn man Schnorrs Zeichnungen dagegenhält, die ein Jahr-
zehnt später entstanden sind. Eine kleine Köstlichkeit, die auch Benz in seinem Büch-
lein abgebildet hat, ist Schwinds Dame mit dem Leuchter. Nicht zufällig findet sich
auf der Gegenseite eine Gedächtnisskizze des Freuftdes Franz Schubert abgebildet.
Schubertsche Musikalität durchleuchtet die Schwindsche Zeichnung. Mit Rottmann,
Richter, Fries und Blechen wandelt sich der frühromantische Zeichenstil in breitere,
malerische Tonigkeit.

So kann dieser schmale Band in gleicher Weise zur historischen Betrachtung wie
zur ästhetischen Besinnung anregen. Trotz seiner Bescheidenheit gehört er zu den
Büchern, an denen kein Fehl ist.

Berlin. Alfred Neumeyer.
 
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