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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

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Klein, Johannes: Das Herzensdrama bei Gerhart Hauptmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.14176#0355
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BEMERKUNGEN

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Während „Florian Geyer" und „Versunkene Glocke" das Hinüberschweifen
vom Wort in die Musik fast ganz vermieden, verrät die „Pippa" noch einmal die
Erinnerung an das Herzensdrama Richard Wagners. Das Leitmotiv des Tanzes
ist mit Musik verbunden, ja, der Tanz selber ist Gebärde gewordene Musik.
Am Ende des 2. Aktes fällt Morgenlicht herein, und ein Tönen beginnt! Während
die Wintersonne heraufbrennt, schwillt die Musik ins Große. Das Seelendrama
verlangt also nach dem wortlosen Ausdruck des Herzens. Auch das Auf-
tauchen fremdartiger Worte wie „jumalai" ist eine Äußerung dieses Drangs,
sprachlose Sprache zu reden. — Im 3. Akt, während der Verzauberung Michel
Hellriegels durch Wann, ertönt eine Musik, die bis zum Sturm anschwillt, dann
plötzlich abebbt und verstummt. — Ja, nicht nur das Wort sucht in diesem
Herzensdrama zu erlöschen, sondern auch das Bild! Denn am Ende steht die
Erblindung Michel Hellriegels und die rein innerliche Sicht! Das ist äußerste
Folgerichtigkeit und schweift schon jenseits der Grenzen des Dramas. — Aber
tief bleibt die Stimmung, tief das Nachklingen und die Ahnung der Einheit jen-
seits aller Zwietracht in diesem rätselhaftesten Stück Gerhart Hauptmanns.

Mit seinen Herzensdramen sind die Möglichkeiten und Gefahren dieser Form
umrissen. Die Gefahren sind nicht beseitigt, die Möglichkeiten nicht erschöpft.
Aber in der dichterischen Substanz dieser Werke tritt etwas sehr Innerliches und
sehr Deutsches zutage, und jenseits des Streites der Meinungen ist es uns allen
geschenkt.
 
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