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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 30.1936

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Klanfer, Julius: Das Wortspiel und die komische Rede
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https://doi.org/10.11588/diglit.14193#0224
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ten gestellt und beantwortet. Hier handelt es sich darum, diese Lei-
stungen aus der sprachlichen Verrichtung des Wortspiels zu erklären
und die Bedingungen, denen es als ästhetisches Gebilde unterworfen ist
und von denen der besondere Charakter seiner Leistung abhängt, mit
seinen sprachlichen Bedingungen zu einer Struktureinheit zusammen-
zufassen. Fünf Fragen sind zu beantworten:

1. Aus welchen Struktureigentümlichkeiten der Sprache ergibt sich
das Bedürfnis, Wortspiele zu bilden?

2. Welche Mittel der sprachlichen Darstellung liegen dem Wort-
spiel zugrunde?

3. Welche der ihm verwandten komischen Rede?

4. Wie läßt sich die ästhetische Leistung des Wortspiels und der
komischen Rede aus der sprachlichen Funktion dieser Gebilde ableiten?

5- Welcher Zusammenhang besteht zwischen der sprachlichen Struk-
tur der untersuchten Ausdrucksformen und den Bedingungen, an die
ihre eigentlich ästhetische Leistung geknüpft ist?

1.

Die sprachliche Leistung des Wortspiels. Indem wir
Zeichen bilden und sie den Dingen zuordnen, bewältigen wir das
Chaos der Erscheinungen, gliedern und differenzieren es. Zugleich
schaffen wir durch den Akt der Zeichensetzung (oder den Vorgang der
Zeichenbildung) die Möglichkeit, uns über das Bezeichnete von Mensch
zu Mensch zu verständigen. Wir erweitern also gleichzeitig unsere
Kenntnis und unsere Macht. Das sind die zwei wesentlichen Leistun-
gen aller Zeichensysteme. Wir können Zeichen ersinnen, welche die
Vielfalt unserer geistigen Welt möglichst getreu wiedergeben — das
Ideal der Logistik ist ein System dieser Art1). Im täglichen Sprech-
verkehr wären solche Zeichen unverwendbar. Die Bedürfnisse des Le-
bens zwingen uns, den Differenzierungen unserer Welt nur bis zu einer
gewissen Grenze zu folgen, dort stehen zu bleiben und die Zuord-
nung der Zeichen zu den Dingen zu vollziehen. So reicht unsere Sprache
bis in die Objektwelt. Was hinter den Objekten liegt, der eigentliche
Inhalt unserer „Protokollsätze", ist ihr nicht zugänglich, sie kann sich
ihm nur umschreibend und andeutend nähern. Vom Zeichen her gesehen
stellt sich dieser Sachverhalt etwas anders dar: die Sätze der Sprache
sind Tatbeständen zugeordnet, die Worte Dingen und Verhältnissen an
diesen Tatbeständen — zwischen den Teilen des Wortbildes, den Lauten,
und den Teilen der Dinge, den primären Bewußtseinsinhalten, aus denen

1) Das Gegenstück dazu sind Zeichensysteme, die ausschließlich praktischen
Verkehrszwecken dienen und mit einem Mindestmaß an Darstellungsgehalt belastet
sind: Eisenbahnsignale u. dgl. Sie sind hier belanglos.
 
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