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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 30.1936

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Laurila, Kaarle Sanfrid: Die Ästhetik in den nordischen Ländern, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14193#0319
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Die Ästhetik in den nordischen Ländern

Von

Kaarle S. Laurila

5. Finnland

Auch in Finnland werden ästhetische Fragen schon seit dem Anfang
des XIX. Jahrhunderts erörtert, obgleich dabei nicht viel Selbständiges
und Bedeutungsvolles herauskommt. Immerhin ist es beachtenswert, daß
sowohl der größte Dichter Finnlands, J. L. Runeberg (1804—1877),
als auch der größte Philosoph und Staatsmann, der Neuerwecker des
politischen und nationalen Lebens J. W. Snellman (1806—1881) sich
mit ästhetischen Fragen beschäftigt haben. Die ästhetischen Ansichten
Runebergs sind von C. G. Estlander zusammengestellt und erläutert wor-
den1), denn Runeberg hat selber ebensowenig wie Snellman seine ästhe-
tischen Ansichten zusammenhängend dargestellt. Die Äußerungen Rune-
bergs beziehen sich hauptsächlich auf gewisse Grundfragen, besonders auf
das Wesen und die Aufgabe der Kunst, auf ihr Verhältnis zur Religion und
zur Wirklichkeit, folglich auch auf die Rolle der Phantasie und der Beobach-
tung in der Kunst, wobei die allgemeinen Kunstrichtungen (Idealismus, Rea-
lismus, Naturalismus) naturgemäß zur Sprache kommen. Runeberg betont
zunächst stark den nahen Zusammenhang der Kunst mit der Religion und
mit religiösen Vorstellungen. „Alle echte Kunst", sagt er2), „hat ihre Wurzel
in den religiösen Vorstellungen eines Volkes, wächst aus diesen hervor und
steht fortdauernd mit ihnen im Zusammenhang." Demgemäß ist auch die
Dichtung nach Runeberg „eine gleichgestimmte und in der Art der Natur
treue Verherrlichung des höchsten Wesens" (S. 12). Da auch die ganze
Natur nach Runeberg eine Verherrlichung des höchsten Wesens ist, so
braucht die Dichtung, um ihre Aufgabe zu erfüllen, nicht etwa die Natur
zu verschönern oder in diesem Sinne zu idealisieren. Im Gegenteil: sie darf
es nicht tun. Sie muß vielmehr nur „das Wirkliche sehen und wieder-
geben", nämlich „die wahre Wirklichkeit, welche in Gott wurzelt und die
Welt durchblüht". „Die Poesie verbessert („upphjelper") nicht die Natur,

x) J. L. Runebergs estetiska äsigter. Sammanstälda af C. G. Estlander. Helsing-
fors 1888.

2) Estet. äsigter, S. 11.

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XXX. 20
 
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