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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 30.1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.14193#0292
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278

BESPRECHUNGEN

Kulturform abzulehnen. Die Kunst wird hier ihres eigenen Bereiches im menschlichen
Kulturbewußtsein beraubt und verliert damit ihre eigene Gesetzlichkeit und selbstän-
digen Sinn. Die rationalistische Begründung der Kunst als einer irrationalen Kultur-
form hat zweierlei Bedeutung. Erstens rechtfertigt und klärt sie den Sinn des Wor-
tes Irrationalismus in bezug auf die Kunst in der philosophischen Anthropologie und
zweitens entdeckt sie als allgemeine Kunstwissenschaft den Zugang zur ästhetischen
Objektivität in den rational zu rechtfertigenden und wissenschaftlich zu erforschen-
den „Gestaltungsprinzipien" des Kunstwerks. Soweit die allgemeine Kunstwissen-
schaft sich bewußt bleibt, daß ihre Begründung nur geht auf das Werk im kom-
plexen Zusammenhang von Werk und Kunstwert innerhalb des Kunstwerks, wird sie
bereit sein ihre Grenzen zu erkennen und es dem ästhetischen Urteil überlassen, das
irrationalistische Wesen der Kunst auf irrationalistische Weise zu begründen."
Greifswald. Kurt Gassen.

Emil Kaufmann: Von Ledoux bis Le Corbusier. Ursprung und
Entwicklung der Autonomen Architektur. Verlag Dr. Rolf Passer, Wien-Leipzig.

Besteht der Titel ganz zu Recht? Es hätte dem, was diese wertvolle Unter-
suchung zu bieten hat, vielleicht mehr entsprochen, wenn der Name Le Corbusiers,
der freilich nicht fehlen durfte, in den Untertitel verwiesen worden wäre. Denn Kauf-
manns knappes und inhaltsreiches Buch, dem gegen 100 Abbildungen in vorzüg-
licher Wiedergabe beigefügt sind, ist im wesentlichen Claude-Nicolas Ledoux gewid-
met. Jenem 1736 zu Dormans an der Marne geborenen, 1806 in Paris gestorbenen
führenden Architekten des französischen Revolutionszeitalters, dessen Aufstieg in das
7., 8. und 9. Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts fiel, und der die unfreiwillige Muße
nach Aufhören aller Aufträge 1789 mit Herausgabe eines grundlegenden Werkes
„L'Architecture consideree sous le rapport de l'art, des moeurs et de la legislation"
füllte. Er hat mit diesem Werke nicht nur „den Besten seiner Zeit genuggetan", er
hat in weit höherem Grade für die Zukunft gearbeitet. Und so gilt sein bitterstolzes
Wort „Ich weiß, was es kostet, eine neue Religion zu gründen", das Kaufmann gleich-
sam als Motto vorangestellt hat.

Der Verfasser hat die Bedeutung Ledoux' durch Analyse seines Schaffens, Den-
kens und Wollens klar herausgeschält. Ledoux erscheint als der theoretische Schöpfer
der „autonomen" Architektur, die ihre Gesetze nicht mehr von außen, sondern allein
aus sich selbst heraus empfängt. Es ist ihm dabei der Nachweis geglückt, daß dieser
Architekt in seinem Denken weit unabhängiger gewesen ist von der Überlieferung
des Barock, der sein Kampf gilt, und aus der er selbst doch hervorgewachsen ist,
ja selbst von der neuen Formentradition des Klassizismus, als in den Bauten, die
er ausführen konnte und sogar in jenen, die er nur planen durfte. Als Schaffender
blieb er Kind seiner Zeit, Erbe einer Überlieferung, die von Palladio herüberführte
(die ungewollte Anlehnung an diesen, vorab an die „Villa Rotonda", hätte in Kauf-
manns Buch noch stärker betont werden können). Doch meldet sich auch in Ledoux'
Bauten die neue Zeit in der Verselbständigung der zu einer Gruppe zusammengefaßten
Einzelbauten (Pavillon-System), in der Verselbständigung der Teile. Weit über das
praktische Schaffen hinaus aber geht der Theoretiker. Man glaubt tatsächlich oft,
einen Architekten des 20. Jahrhunderts reden zu hören. Seine Abneigung gegen jeden
Dekor als etwas dem Bau als solchem Fremdes, nur Zusätzliches — die Grundriß-
bildung allein aus dem inneren, der Bestimmung und dem Zweck entwachsenden Ge-
setz — die Aufstellung der „Wohnlichkeit" als obersten Grundsatzes bei Wohn-
bauten und das Außerwirkungsetzen der bis dahin entscheidenden ästhetischen Ge-
 
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