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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 30.1936

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Klanfer, Julius: Das Wortspiel und die komische Rede
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https://doi.org/10.11588/diglit.14193#0242
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JULIUS KLANFER

die sie als Theoretiker genau kannten, praktisch zu vernachlässigen.
Ihre These ist also dahin zu modifizieren, daß nicht jede Ähnlichkeit
der Bezeichnungen auf Ähnlichkeit der bezeichneten Objekte schließen
läßt, sondern die etymologische Verwandtschaft der Wörter unter gewissen
Voraussetzungen eine sachliche Beziehung zwischen den Dingen nahe-
legt. Diese ästhetische Leistung kommt daher nur dem etymologischen
Wortspiel zu, nicht aber dem Klang- und Feldspiel oder der komischen
Rede. — Die zweite Bestimmung Jean Pauls, die witzige Zufalls-
wirkung, ist mit der ersten schwer vereinbar. Der Widerspruch löst sich
jedoch, wenn wir sie nur auf die nicht-etymologischen Wortspiele an-
wenden. Hier werden zufällige Sprachähnlichkeiten dazu benützt, Be-
ziehungen zwischen den Dingen in die Bezeichnung der Dinge mit-
einzubeziehen, um dadurch die Symbolgrenze zu überwinden und zu-
gleich komische Wirkungen zu erzielen. Je gewagter, paradoxer, ver-
blüffender die Feststellung solcher Beziehungen wirkt, desto mehr wird
das Wortspiel zum Witz, desto größer die komische Lust des Hörers.
Die komische Wirkung wird schließlich zum Selbstzweck und gibt allein
vielen Wortspielen ihre Berechtigung. Namentlich bei den meisten Klang-
spielen ist die sprachbeseelende Kraft völlig zurückgetreten, sie dienen
nur mehr als sprachliche Einkleidung eines witzigen antithetischen
Gedankens, als stilistische Hilfsfigur der Antithese. „Den Gegensatz
dadurch zu verstärken, daß die kontrastierenden Worte sich lautlich
angenähert werden und so ihre Beziehung noch augenfälliger hervor-
tritt, das ist die eigentliche Hauptaufgabe des Wortspiels."23) Doch ist
dieser Gebrauch des Wortspiels ein abgeleiteter: der antithetische Ge-
danke wird zuerst als Mittel gebraucht, die Symbolgrenze anzugreifen,
nachträglich wird er zum Hauptzweck und das Wortspiel ihm untergeord-
net. — Aus der ursprünglichen sprachlichen Leistung des Wortspiels
ist auch die dritte von Jean Paul festgestellte Wirkung abgeleitet, „die
daraus hervorleuchtende Geistes-Freiheit, welche imstande ist, den Blick
von der Sache zu wenden gegen ihr Zeichen hin". Zunächst läßt das
Wortspiel als Mittel, sich dem Wesen der Dinge zu nähern (wie es
von der Sprachmystik und — wenigstens programmatisch — von den
Romantikern aufgefaßt wird) dem Geiste wenig Freiheit — im Gegen-
teil, gerade die Unterordnung des einzelnen Geistes unter den Geist der
Sprache, die Führung des Denkens durch die Sprache ist hier das
Wesentliche. Aber diese liebenswürdige Ausdrucksform, die tiefe Ein-
sichten vermittelt und dabei gleichzeitig den Sinnen schmeichelt, auch
das Gedächtnis des Hörers unterstützt und die Einprägsamkeit der Rede
fördert (worauf wortspielende Kanzelredner wohl großes Gewicht leg-

23) R. M. Meyer, Deutsche Stilistik, 2. Aufl., München 1913, S. 139.
 
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