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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 1.1856

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Otte, Heinrich; Quast, Ferdinand von: Kelch der Kirche zu Werben in der Altmark
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https://doi.org/10.11588/diglit.3677#0080
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72 KELCH DER KIRCHE ZU WERBEN IN DER ALTMARK.

Wir sehen hier deutlich eine Darstellung des im ersten Buche der Könige 17, 10 ff", er-
zählten Vorganges. Der Prophet Elias kommt in der Zeit der Dürre auf Befehl des Herrn
nach Sarepta und findet vor dem Stadtthor die ihm von Gott als Versorgerin bezeichnete
Wittwe mit Holzauflesen beschäftigt. Er verlangt von ihr ein wenig Wasser zu trinken
und einen Bissen ßrocls zu essen; sie aber erwidert: So wahr der Herr, dein Gott, lebet,
ich habe nichts Gebackenes, ohne eine Hand voll Mehl im Kad und ein wenig Oel im
Kruge, und siehe ich habe ein Holz oder zvyei („duo ligna" in der Vulg.) aufgelesen; und
gehe hinein und will mir und meinem Sohne zurichten, dass wir essen und sterben. —
Dies ist der Gegenstand der Darstellung: der Prophet steht bittend vor dem armen Weibe;
diese, das gesammelte Holz in einem Bündel auf dem Bücken und die zuletzt aufgelesenen
„duo ligna" in den Händen, hört seiner Rede zu. Hier ist der Vergleichungspunkt mit
dem Opfertode Christi schwer zu finden, zumal bei der Seltenheit der Darstellung gerade
dieses Momentes aus der Geschichte des Elias und der Wittwe von Sarepta. Der Umstand,
dass die Frau die beiden Hölzer, in offenbarer Absichtlicbkeit des Zeichners, T förmig hall,
Hesse zunächst auf ein Vorbild der Kreuztragung Christi schliessen; es ist aber möglich, dass
an eine künstlichere, weiter hergeholte, dem Mittelalter nicht fremde Allegorie im Sinne der
Kabbalistik zu denken ist, wobei fest zu halten bleiben würde, dass die „duo ligna" sicher-
lich als Typus des Kreuzes Christi aufzufassen sind. Der „panis subeineritius", den Elias
(Vs. 13) die Wittwe mit dem aufgelesenen Holze backen heisst, galt nachweislich für ein
Symbol Christi nach seiner menschlichen Natur. *)

An den vier Seiten des Knaufes sind in kleinen Medaillons die Evangelistenzeicben
angebracht, welche als Repräsentanten des neuen Testaments öfter gerade an den Kelch-
grifl'en vorkommen (Fig. 7—10).

Am Fusse befinden sich wiederum 4 Medaillons (Fig. 11 —14) mit gravirten Bildern,
zwei neutestamentlichen und zwei alttestamenllichen. Als llaupldarslellung ist zunächst die
auch sonst auf Kelcbfüssen häufige Kreuzigung Christi angebracht, mit der Umschrift:

-1- YHESVS NAZARENVS. REX. 1VDEORVM
welche die Stelle des an dem Kreuze selbst fehlenden Tilulus vertritt. Der Crucifixus ist
nach dem späteren Typus mit geneigtem Haupte, übergelegtem rechten Fusse und mit drei
Nägeln angeheftet dargestellt; die wagerechte Haltung der Arme, die mangelnde Dornen-
krone und der volle, von den Hüften bis zu den Knieen reichende Schurz erinnern noch
an die ältere Darstellungsweise. **) Die Gestalten der Maria und des Johannes unter dem
Kreuze sind nach dem hergebrachten Typus aufgefasst; die Mutter jedoch nicht, wie der

*) Jordanus de Quedelinburg, Opus Poslillarum (Argent. 14S3.) CLXXV. A: Semmdum bealiim Bernardum .. . panü
mbciniiriciiis est deus li.omo.

**) Obgleich eine specielle ikouographische Chronologie der Kreuzigung Christi noch keineswegs festgestellt ist, so
kann doch die Darstellung des mit vier Nägeln angehefteten, lebenden Crucifixus, welche mit dem XIII. Jahrh. erlischt, mit
Entschiedenheit als der ältere Typus betrachtet werden, im Vergleich zu der seit dem XIV. Jahrh. ausschliesslich herr-
schend gewordenen Darstellung des mit drei Nageln an das Kreuz gehefteten, bereits verschiedenen Erlösers, welche früher
nur vereinzelt vorkommt. Durand (Rationale 1. 4 c. 77 n. 24), der zu Ende des XIII. Jahrh. lebte, kennt beide Darstellungs-
weisen.
 
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