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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 2.1858

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Petersen, Chr.: Elfenbein-Relief auf einem lateinischen Evangelienbuch der Hamburger Stadtbibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.3678#0056

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52 ELFENBEIN-RELIEF AUF EINEM EVANGELIENBUCHE DER HAMB. STADTBIBLIOTIIEK.

Phädros die befiederte Seele des Erstochenen. Das genügt aber noch nicht, den Sinn mit
Sicherheit zu erkennen. Denn ohne Zweifel kommt der Zorn oder Rache schnaubende Blick
besonders in Betracht. Sinn und Bedeutung könnten mit Sicherheit nur festgestellt werden,
wenn wir die ursprüngliche Bestimmung des Reliefs wüssten. Wäre es für das Evangeli-
arium gemacht, so müsste man wohl an die siegende Gewalt des Christenthums denken und
an der Zorn blickenden Seele könnte nur die Nichtigkeit des Zornes des besiegten Heidenthums
ausgedrückt sein. Allein das wäre wohl ein ziemlich überflüssiger Zusatz, und diese Deutung
scheint auch an sich unwahrscheinlich. Schwerlich ist aber das Relief gleichzeitig mit dem
Evangelienbuche und ursprünglich für dasselbe gemacht. Ist es einem älteren Diptychon ent-
nommen, und dürfte man den ersten deutschen Herrschern in Italien! so viel Kunstsinn und jener
Zeit so viel Kunstfertigkeit zutrauen, so könnte man in dem Bilde eine Antwort vermuthen auf
die gleiche Allegorie auf den Münzen der letzten römischen Kaiser: die Seele der Barbaren,
die besiegt zu haben ihr euch rühmt, hat rächend sich gegen euch erhoben. Für ein Di-
ptychon, das die Verkündigung ihrer Herrschaft einschloss, wäre es keine üble Allegorie.
Doch wage ich selbst nicht an diese Erklärung zu glauben. Uebrigens scheint dies viel-
leicht auch in anderen Kunstwerken wiederholte Motiv auf eine in der spätem Kunst oft
vorkommende Darstellung nicht ohne Einfluss gewesen zu sein. Ich meine, wie der Erz-
engel Michael oder der Bitter S. Georg den Drachen unter seinen Füssen mit Schwert oder
Spiess ersticht. (Vergl. Christliche Kunstsymbolik und Ikonographie, Frankfurt a/M. 1839,
S. 41 und 52. Die Attribute der Heiligen, Hannover 1843, S. 40 und 179.) Jedoch
muss vor jedem weiteren Erklärungsversuche Zeit und Gegend gesucht werden, wo es ge-
macht sein kann, worüber ich nichts zu sagen weiss. Ich will nur noch erwähnen, dass
auf eine mündliche Beschreibung und die daran geknüpfte Frage über Ursprung und Sinn
Hr. v. Quast mir erwiderte, es gäbe byzantinische Kunstwerke in einem an die alte grie-
chische Kunst erinnernden Styl, deren Vergleiehung vielleicht über die Entwicklung dieser
Kunst noch weiteres Licht verbreiten könnte. Gern folgte ich daher seiner Aufforderung,
ihm einen Abguss zu senden und durch Veröffentlichung einer Abbildung Kennern der
christlichen Kunst zu einer weiteren Untersuchung dieser schon ihrer Eigenlhümlichkeit
wegen merkwürdigen Darstellung zu geben. *)

Hamburg, im März 1857. Prof. Chr. Petersen.

*) Ich dachte namentlich an die Elfenbein -Reliefs der Kanzel Kaiser Heinrichs II. zu Aachen (neuerlich z. Th. von
E. Förster veröffentlicht), welche entschieden antike Darstellungen in einer Technik zeigen, die offenbar eine viel spätere
ist. Wahrscheinlich sind sie in Byzanz in freier Nachbildung antiker Kunstwerke entstanden. Unser Relief trägt aber doch
mehr einen deutschen Charakter an sich, und ich halte es für wahrscheinlich, dass es,.allerdings in Fortbildung antiker
Traditionen, die vielleicht über Byzanz hierher gekommen waren, dem Lokale angehört, wo es sich mindestens seit dem An-
fange des XII. Jahrb. und glücklicherweise noch gegenwärtig befindet. Da der Geschenkgeber im Kampfe gegen die Heiden
sein Leben verbrachte und ihn sogar mit dem Tode besiegelte, so ist es doch wahrscheinlich, dass unsere Darstellung sieh
auf diesen Kampf bezieht. Dass namentlich der Besiegte einen Wenden vorstellen soll, kann des Costüms wegen nur als
wahrscheinlich angenommen werden. v. Quast.
 
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