Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 2.1858

DOI Artikel:
Petersen, Chr.: Elfenbein-Relief auf einem lateinischen Evangelienbuch der Hamburger Stadtbibliothek
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3678#0055

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ELFENBEIN-RELIEF AUF EINEM EVANGELIENI3UCH DER IIAMB. STADTßIGLIOTHEK. 51

os sehr gelitten hat, deutlich den Ausdruck des Schmerzes. Hinter, diesem Manne steht
eine Figur von der Grösse der Nike, die, soweit sie sichtbar, mit einem Gewände bedeckt
ist, das aus schuppenartig über einander liegenden Federn zu bestehen scheint. *) Es sind
weder Beine noch Arme sichtbar, und statt der letztereu hängen von den Schultern ärmel-
arlige Streifen herab, und, wie mir scheint, Zorn blickend ist das Gesicht der Nike zuge-
wandt. Andere wollen Furcht in den Gesichtszügen erkennen. Links erhebt sich ein
Mauerpfeiler, auf dem der Anfang eines Gewölbes zu ruhen scheint.

So viele Kenner der griechisch-römischen sowohl als der christlichen Kunst das
Werk gesehen haben, keiner erinnert sich, einer ähnlichen Darstellung begegnet zu sein.
Das älteste Motiv, dem jedoch nur die Stellung der Nike nachgebildet ist, scheint die Stiere
opfernde Nike zu sein, die besonders häufig auf geschnittenen Steinen, aber auch auf Re-
liefs in Terra-Cotta, selten in Marmor, vorkommt, die zu einer friesartigen Verzierung ge-
dient haben mögen. (Lippert, Dactyl. Nr. 695—98; andere Abbildungen weist Müller,
Handbuch der Archäologie §. 406. 2 nach.) Dass die Nike in christlicher Kunst einen Men-
schen erstechend dargestellt sei, ist mir nicht bekannt. Bevor wir ähnliche Darstellungen
in der christlichen Kunst nachweisen, ist im Allgemeinen zu erinnern, dass die deutlich
von den sonst ihr ähnlichen Engeln unterschiedene Nike zu den wenigen symbolischen Fi-
guren gehört, die unmittelbar in die christliche Kunst übergingen. Dies ist ausführlich dar-
gethan von Ferd. Piper, Mythologie der christlichen Kunst T. 1., Weimar 1847, S. 168 ff.
Sie kommt auf Sarkophagen und Diptychen namentlich einen Schild mit einem Brust-
bilde haltend vor. In gleicher Weise mit dem Brustbilde der Kaiser auf Münzen.
Die Münzen der christlichen Kaiser Roms stellten sie aber auch die Kaiser bekrän-
zend dar, oder am Ruder auf einem Schiffe sitzend oder mit Trophäen oder auf Trophäen
sitzend oder schwebend, oder mit Kugel, Kranz oder Scepler u. s. w. S. 180, vergl. S. 334 ff'.
Unter diesen symbolischen Darstellungen der Nike oder Victoria, wie wir sie als
römische Göttin angemessener nennen, auf Münzen der Kaiser Valenlinian (I. oder
IL 37 oder 38) und Julius Nepos und Romulus Augustulus 475—476 n. Chr. Geb. findet
sich, wie Piper S. 180 nach Eckhell D. N. VIII. p. 151. 202. 203 mitlheilt, „eine
Victoria, die in der Rechten eine Trophäe hat, mit der Linken einen
Gefangenen bei den Haaren schleppt," worin ohne Zweifel der Sieg der Römer
über die Barbaren gefeiert sein soll. Da haben wir ein ganz unserm Belief entsprechendes
Motiv, doch folgt daraus noch nicht, dass die von demselben gegebene Erklärung auch auf
unser Relief anzuwenden sei. Zwar lässt die Kleidung des erstochenen Mannes kaum zwei-
feln, dass der Künstler an einen Barbaren gedacht habe, allein die Figur im Federgewande
hinter ihm soll doch wahrscheinlich seine Bedeutung näher erklären, und da fragt es sich,
was damit ausgedrückt werden soll. Die einzige Vermulhung, die, ich weiss nicht mehr
von wem, darüber ausgesprochen ist, erkennt in dieser Figur nach Plalons Schilderung im

*) Hr. Dr. Lappenberg nennt diese Figur einen Ritter in Kettenrüstung ohne Helm und Schneit. Doch möchte
in den offenbar federartig bezeichneten Schuppen schwer ein Kettenpanzer zu erkennen sein.

7*
 
Annotationen