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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 2.1858

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Quast, Ferdinand von: Archäologische Reiseberichte, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3678#0084

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80 ARCHÄOLOGISCHE REISEBERICHTE. ----- (HAMERSLEfiEN.)

Stellung, den Halberstädter Reliefs am nächsten, während die Hildesheimer, wo die Ge-
stalten stehend gebildet wurden, durch ihre grössere Weiche schon auf eine etwas spätere
Entwicklung schlicssen hissen. Auch unseren Reliefs gebührt daher ein Ehrenplatz unter
den vorzüglichsten Bildwerken, welche den Gipfel der älteren Kunstblülhe unseres Vater-
landes bezeichnen. ».

Die alte Bogenöffnung, welche aus dem nördlichen Kreuze in die Seitenkapelle des
Allarhauses führt, ist durch einen späteren, wenn auch immer nach romanischen Einbau
ausgefüllt. Unter einem abschliessenden Rundbogenfriese befinden sich drei massig flache
Rundbogennischen, welche durch Pfeiler von einander gelrennt werden. Letztere sind ein-
wärts im Halbkreise profilirt. Innerhalb dieser Aushöhlung steht eine Rundsäule von et-
was geringerem Durchmesser, mit eigner Basis, während der obere Kämpfer mit dem der
Pfeiler verkröpft ist. Pfeiler wie Säulen tragen die reich profilirte Archivolte, welche den
Bogcnabschluss der Nischen umgiebl.

Ganz verwandt ist die Bildung des Doppelthores, welches das Langhaus gegenwärtig
gegen Westen öffnet, nur dass die genannte Anordnung mit einwärts gekehrter halbkreis-
förmiger Aushöhlung und eingefügter Säule hier die innere Leibung eines jeden Thür-
pfostens bildet. Wie die Abbildung (Bl. V. Fig. 8. 9. 10.) zeigt, ist hier alles sehr reich
ausgebildet; namentlich sind die Ecken des Pfeilers noch jedesmal durch kleine Ecksäul-
chen geschmückt worden.

Diese eigenthümlich reiche Bildung ist aber einer abschliessenden Thür wenig angemes-
sen. Als man die Schönheit derselben nach Ausbruch der Vermauerung erkannt hatte, be-
schloss man zwar, sie im Wesentlichen sichtbar zu lassen, doch war eine theilweise Ver-
deckung nicht zu umgehen, wenn die Thür nicht ganz offen bleiben sollte. Hieraus ist
aber zu schliessen, dass dieselbe ursprünglich wirklich offen war und in eine Vorhalle ging,
die aber gegenwärtig völlig verschwunden ist. Wenn man weiteren Vermulhungen, nach
Analogie anderer Anlagen, Baum geben darf, so würde sich oberhalb dieser Halle eine
zweite darüber befunden haben. Wirklich zeigt die Wand oberhalb, dass hier, anstatt des
jetzigen nüchternen spitzbogigen Fensters aus der Zeit der Holzüberwölbung des Schiffes, ehe-
mals eine Arkadenstellung sich öffnete, von welcher jederseits noch die Anfänger vorhan-
den sind. Diese Arkaden verbanden die hier befindliche Empore mit dem Langhause und
dienten eben so wie in Quedlinburg*), Frose und Drübeck (um nur Beispiele der näheren
Umgegend zu nennen) als Chor der Nonnen, welchen sie grade an dieser Stelle haben mussten.
Dass solche Nonnen aber, wie grade so häufig in Klöstern der Augustiner Chorherren, we-
nigstens am Ende des XII. und XIII. Jahrb. auch hier vorhanden waren, ist historisch fest-
gestellt. Nicht unwahrscheinlich ist es dann ferner, dass diese Vorhallen zu beiden Seilen

*) Kugler, Beschreibung der Schlosskirche zu Quedlinburg S. 30. (Kl. Schriften I. 558.) hielt sie Irrthümlich für
eine Kaiserloge und verlegte die Sitze der Nonnen zu beiden Seiten des hohen Chors; hier konnten aber nur Priester, d. h.
die mit dem Stifte verbundenen Canoniker fungiren. Die Nonnen hatten in alter Zeit stets auf Emporen ihren abgesonder-
ten Chor, wie solches in unzähligen Beispielen vorliegt. Die ältesten derartigen Anlagen befinden sich oben über der west-
lichen Vorhalle.
 
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