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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 2.1858

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84 KLEINERE AUFSÄTZE UND NOTIZEN.



die Tafel zu S. 18). Ausser diesem ungewöhnlichen Buchstaben bietet der untere leoninische Hexameter
des Antipendiums ein dem mittelalterlichen Latein fremdes, griechisches Wort dar „usia," dessen sich
der Dichter in seinem Streben nach sententiöser Dunkelheit und vielleicht auch aus Bcimnoth bedient.
Das Wort (usia, ovola <= Wesen) fehlt bei Du Cange, aber wir finden es noch einmal auf der Dedications-
Insdhrift der Kanzel K. Hein rieh's II. im Münster zu Aachen, in demselben letzten Fusse eines leonini-
schen Hexameters und mit demselben Fehler gegen die Prosodie, wie auf der Baseler Tafel. Die Aache-
ner Inschrift besteht aus vier Versen, nennt im zweiten den „Hex pius Ilenricus" als Donator des Ambo
und schliesst: „Quo prece summa tua sibi merces fiat usia." (Vgl. Quix, Beschreibung der Münsterk. in
Aachen S. 21). — Der obere Hexameter auf dem Antipendium ist wohl kein leoninischer, deren Gebrauch
erst im XII. Jahrh. ausschliesslich herrschend wurde; wir erachten Wagkernagel's Erklärung desselben
nicht für richtig, sondern lesen mit Cousseau, genülhigt durch die Cä'sur: „Quis sicut hei fortis? Medicus
soler Benedictus." Denn nur so passt der Sinn auf die dem h. Benedict angewiesene Ehrenstellung zur
Hechten des wie häufig zwischen Michael und Gabriel dargestellten Salvator, und in Correspondenz
mit dem Medicus Raphael zur Linken. Wir hallen demgemäss die ganze Darstellung für aus besonderer
Verehrung gegen den h. Benedict hervorgegangen und für das Werk eines Benedictinermönches. Will
man diese Beziehung indess nicht gelten lassen, so nehmen wir mit Crosnier an, dass der Dichter sich
lediglich in der Einkleidung der Namen der fünf dargestellten Personen in einen mysteriösen Vers ge-
fallen habe, mit dem er selbst keinen bestimmten Sinn verbunden zit haben braucht.

Otte.

Nachschrift. Leider habe ich unter buchst ungünstigen Umständen im Herbste 1855 die
Altartafel im Hotel Cluny nur zu kurz und flüchtig betrachten können, als dass ich den Anspruch machen
dürfte ein bis ins Einzelne durchgeführtes motivirtes Unheil über dieselbe abgeben zu können. Nach der
früher mir bekannt gewordenen Zeichnung erwartete ich ein Werk im reichen spätromanischen Style zu
erblicken. Der Anblick überzeugte mich sogleich, dass dem nicht so sei, und dass die Tafel nicht
jünger als das XI. Jahrh. sein könne. Diese Technik von Skulpturen aus höchst dünnem Goldblech über
einem Holzkörper, die eben so strenge wie sorgsame Behandlung des Figürlichen nicht minder wie des
Ornamentalen, die dem XI. Jahrh. ganz eigentümlichen eckigen Züge der Schrift, welche noch fern
von den spateren Abrundungen sind, kommen an keinem späteren Werke in dieser Weise vor, und Hes-
sen mich daher keinen Augenblick daran zweifeln, dass jenes ausgezeichnete, dein deutschen Vaterlande
leider nun entfremdete Werk wirklich dem XI. Jahrh. angehört. Wenn einzelne Formen jünger zu sein
scheinen, wie z. B. die geringelten Säulen, so ist zu beachten, dass dergl. in der Architektur die Spät-
zeit charakterisirende Einzelnheiten in den kleineren Bildwerken, wie der Malerei, schon früher, erst ein-
zeln, dann öfter vorkommen und erst nach und nach Eingang gewinnen, schliesslich auch in der eigent-
lichen Architektur. So finden wir auf den 1070 gearbeiteten Thüren von S. Paul in Born (Aginc. Sc. XIII
seq.) die Säulen in der Mitte mit dergl. schrägen Bändern belegt, und auf den nur 6 Jahre jüngeren
von M. S. Angelo sogar mit verschlungenen Verknotungen (Duc de Luynes Bl. V.), und eben solche auch
in dem griechischen Menolog der Vaticana bei Agincourt (Malerei I, XXXI, 21) aus dem IX. und X. Jahrh.
Allerdings sind dies sämmtlich byzantinische Werke; aber eben der von Byzanz ausgehende Einfluss war
doch gewiss in vielfachster Weise thätig und lässt sich bereits im X. Jahrh. in Deutschland ganz bestimmt
nachweisen. Hiermit scheint mir ein Bedenken gegen die Anfertigung des Antipendiums im XI. Jahrh.
nicht gerechtfertigt zu sein, und weiss ich keinen in der Sache liegenden Grund dagegen, dass wirklich
Kaiser Heinrich 11. es habe machen lassen. v. Q,

4. Reisenotizen über alte und neue Kunst. — 1) Ueberlingen, die alte Miniatur-Ileichsstadt
am herrlichen Bodensee, wird zwar heut zu Tage jedem Touristen von seinem „Bäoeker" oder ähnlichen
Reiseführern dringend empfohlen, wobei namentlich der alte Balhsaal mit Becht als ein Wunder der Holz-
schnitzerei des XV. Jahrhunderts hervorgehoben ist — mag derselbe nun ein Werk des bekannten Ulmer
Meisters Syrlin selbst oder aus seiner Schule sein. Trotz dieser sehr 'wohlbegründeten Empfehlungen ist
Schreiber dieses erst im letzten Sommer dazu gekommen denselben Folge zu leisten, und sind ihm in dem
ziemlich weiten Kreis seiner Kundschaft auch unter Künstlern und Kunstkennern zumal in dem Hereich der
christlichen Zeitströmung nur sehr Wenige bekannt*), die mehr als eine ganz allgemeine Büchernotiz

*) Auch in dem trefflichen KuOLER'schen Handbuch der Kunstgeschichte wird dieses Rathsaals gar nicht erwähnt.
 
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