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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 2.1858

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Passavant, Johann David: Die Maler Roger van der Weyden und einige Notizen über Goswin und Peter van der Weyden, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3678#0127

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DIE MALEH ROGER VAN DER WEYDEN. 123

daher sofort in die S. Peterskirche, warf sich voll Traurigkeit vor den Altar, beweinte die
Irrthümer eines so gerechten Kaisers und flehte zu Gott um Verzeihung der Irrthümer
Trojans, der, wie es der Orient und Occident anerkenne, stets gerecht gewesen. Hierauf
habe der Papst auf wunderbare Weise die Antwort erhalten: Gott habe sein Flehen erhört
und dem Trajan, obgleich ein Heide, Gnade gewährt. Der Papst solle jedoch künftig keine
neue mehr erflehen. Nach Erhalt so hoher Gunst Hess Gregor das Grab Trajans öffnen;
man fand aber nur Moder, mit Ausnahme der vollkommen frisch erhaltenen Zunge des Kai-
sers, welche stets Worte der Gerechtigkeit gesprochen.

III. Der mächtige Graf Herkinbald sprach Gerechtigkeit ohne Ansehn der Person.
Eines Tags krank im Bette liegend, hört er draussen ein Geschrei von Weibern, nach des-
sen Ursache er fragt, welche man ihm jedoch verheimlicht; endlich erfuhr er sie durch
einen jungen Diener, dem er gedroht hatte im Weigerungsfalle die Augen ausstechen zu
lassen. Mein Herr, sagte dieser, der Lärm rührt daher, dass der Sohn deiner Schwester,
der nach dir am meisten gefürchtet ist, einem Mädchen Gewalt angelhan hat. Als Herkin-
bald diese Aussage .wahr befunden, befahl er seinen Neffen zu hängen. Der Marschall, ob
solch eines Befehls erstaunt, that als wolle er ihn vollführen, rieth aber dem jungen Manne,
sich eine Zeillang zu verstecken. Nach Verlauf von fünf Tagen glaubte dieser den Zorn
seines Oheims gelegt und wagte es durch die geöffnete Thüre in dessen Zimmer zu sehen.
Der Kranke rief ihn sanft herbei, liess ihn vor sich knieen, ergriff ihn aber dann hei den
Haaren und tödtete ihn, indem er ihm ein Messer in den Mals stiess, dieses Alles jedoch
aus Liebe zur Gerechtigkeit.

IV. Als Herkinbald fühlte, dass seine Krankheit tödtlich sei, liess er den Bischof
mit dem Sakrament kommen, beichtete unter Thränen und mit wahrer Zerknirschung seine
Sünden, schwieg jedoch davon, dass er wenige Tage zuvor seinen Neffen umgebracht hatte.
Als der Prälat ihn deshalb zur Bede gestellt, antwortete er, diese aus Liebe zur Gerechtig-
keit verübte That halte er für keine Sünde und bitte deshalb Gott nicht um Vergebung.
Nach vergeblichen Versuchen des Priesters, ihn dazu zu bereden, entfernte er sich, ohne
ihm das Sakrament gereicht zu haben. Bald darauf rief ihn Herkinbald zurück und hat
ihn, nachzusehen, oh das Cibonum noch das Sakrament der Eucharistie enthalte. Als nun
dasselbe leer befunden wurde, sagte er: Siehe, das was du mir versagt hast, hat sich nicht
von mir entfernt, und indem er den Mund öffnete, zeigte er ihm die darin befindliche
Hostie. Bei Ansicht dieses Wunders stimmte der Prälat in das Lob des Herrn und
verkündigte den Gläubigen, auf welche herrliche Weise die göttliche Güte die Gerechtigkeit
belohnt habe.

Carel van Mander, indem er von diesen auf die Verherrlichung der Gerechtigkeit
gerichteten vier Gemälden spricht, sagt: Unter diesen war vornehmlich ein Stück merkwür-
dig, welches einen alten Vater darstellt, der, im Bett krank liegend, seinem rnissralhenen
Sohn den Hals abschneidet. Darin war der grosse Ernst des Vaters zu sehen, der, die
Zähne verbeissend, mit eigenen Händen so grausames Becht an seinem eigenen Kinde

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