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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 2.1858

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Passavant, Johann David: Die Maler Roger van der Weyden und einige Notizen über Goswin und Peter van der Weyden, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3678#0126

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122 DIE MALER ROGER VAN DER WEYÜEN.

1479 das Bürgerrecht in Ulm, 1484 in seiner Vaterstadt Augsburg und 1493 in Colmar
erhalten.*)

Stehen nun die Angaben über die zwei Maler Roger des Carbi, van Mander fest
begründet, so ergiebl sich auch, dass nicht, wie Herr Wauters glaubt, schon durch das
Schweigen aller Schriftsteller des 16. Jahrhunderts über einen Jüngern Roger van der Wer-
den erwiesen sei, der 1528 in der St. Lucas-Gilde eingeschriebene Maler jenes Namens
könne nur ein ganz unbedeutender Künstler gewesen sein, vielmehr muss jetzt erkannt
werden, dass Guicciardini, Vasari, Lampsonics und Opmeer, wenn sie bei den Bildern in
Brüssel in so hohes Lob ausbrechen, nur den Ruhm des Jüngern Roger van der Weyden
laut verkündet haben. Ebenso auch Alishecht Dürer, wenn er in sein Reisebüchlein auf-
gezeichnet: „Ich hab gesehn zu Prüssel im Ralhhauss in der gülden Kammer die 4 gemalte
Materien, die der grosse Meister Rudier gemacht hat."**)

Diese „wundervollen Malereien" zeigte man im Jahr 1549 dem König Philipp 11.,
als er in das Rathhaus kam, um den ihm zu Ehren gehaltenen Umzug zu sehen. Estrella***),
der dieses berichtet, sagt, dass die Bilder die ganze obere Wand des Versammlungssaals
der Bürgermeister, Schöffen und Rälhe eingenommen hätten, und zwar waren zwei Tafeln
an der Wand befestigt, während die beiden andern, gleich Flügelbildern, zu ihrer Bedeckung
dienten. Eine jede der Darstellungen war durch lateinische Inschriften in Gold unten an
den Bildern erklärt, die beiläufig Folgendes besagten:

I. Kaiser Trajan, obgleich ein Heide, war doch voll Liebe zur Gerechtigkeit. Einst
bestieg er schnell sein Pferd, um an der Spitze seiner Armee den Feind zu bekämpfen, da
warf sich eine Witlwe in Thränen vor ihn hin, ergriff seinen Fuss und flehte um Gerech-
tigkeit gegen den Mörder ihres Sohnes. Trajan erwiederte voll Güte, dass er ihr bei sei-
ner Rückkehr Gerechtigkeit verschaffen werde. Sie aber entgegnete: „Wenn du aber nicht
zurückkommst?" — „So wird mein Nachfolger die Sache übernehmen", antwortete der
Kaiser. Sie aber liess nicht nach mit Bitten und stellte ihm vor, dass er sich den Lohn
der Gerechtigkeit erwerben solle. Da stieg Trajan endlich vom Pferde, untersuchte ihre
Klage und verschaffte der Wiltvve Gerechtigkeit. Nach seinen Siegen über die Perser starb
er, und wurden seine Gebeine in Rom unter die grosse Säule seines Forums in einem gol-
denen Gelasse beigesetzt.

II. Nach mehr als 450 Jahren nach Trajans Tod ging einst Papst Gregor I. an
dem Forum Trajanum vorbei und gedachte der Gerechligkeilsliebe jenes Kaisers und seufzte,
dass dessen gute Werke vor Gott keine Gnade fänden, da er ein Heide gewesen. Er ging

*) Nach meinen eigenen Forschungen in den Archiven jener Städte und mir gütigst durch deren Archivare mit-
gelheill.

*») Wenn behauptet worden ist, dass jene vier Bilder dem altern Roger mössten zugeschrieben werden, indem
Albrecht Diner in seinem Tagebuch nur verstorbene, nie aber einen damals noch lebenden Künstler mit Lob erwähnt habe,
so hat man übersehen, dass er den ihn auf der Fahrt von Antwerpen nach Brügge begleitenden Meister Jan Ploos einen
..guten Maler aus Prüg bürdig" nennt, und anmerkt, dass er dem ,.guten Bildschnitzer mit Namen Conrad, desgleichen ich
kein gesehen hab" von seinen Kupferstichen zugeschickt habe.

***) Calvette ee Estrella, El felicissimo viaje del rey Felipe. III, p. 91. — Wauters, Revue etc. IL p. HS.
 
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