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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 2.1858

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LITERARISCHE ANZEIGE. 235

und so auch in den Seitenschiffen quadrate und nun leicht zu übervvölhende Felder erlangt habe. Nach
solchen Vorgängen habe man dann im XII. Jahrh. die Kirchen dieser Gegenden (er führt beispielsweise
die von Mainz, Speier und Rosheim im Elsass an) gleich ursprünglich durchweg mit quadraten Kreuz-
gewölben gedeckt und sei bei diesem Systeme bis zur Einführung des gothischen Styls geblieben. Ich
gestehe, dass mir, ungeachtet der Autorität des Verfassers, die Geschichte der Kathedrale von St. Die,
wie er sie den Steinen abgesehen haben will, ziemlich unwahrscheinlich ist. Ich würde eher glauben,
dass das Gebäude ursprünglich flach gedeckt und später unter Einschiebung der Zwischenpfeiler ge-
wölbt, und dass diese Procedur erst dann vorgenommen sei, nachdem man an anderen, gleich ursprüng-
lich darauf angelegten Gebäuden dies Wölbungssystem kennen gelernt hatte. Jedenfalls wäre aber eine
nähere Kenntniss der Kathedrale von St. Die, und zwar in ihren Details, ein Wünschenswerther Beitrag
auch für unsere deutsche Monumentalgeschichte.

Schreiten wir dann in der Reihe jener allgemeinen Artikel des I. Bandes fort, so betrachtet der
Verfasser s. v. Archüecture monastique, von dem Plane von St. Gallen anhebend, die Gestaltung der
klösterlichen Anlagen, mit Berücksichtigung der Eigentümlichkeiten der verschiedenen Orden und mit
einer reichen Auswahl von Grundrissen und malerischen Ansichten. Auffallend ist dabei, dass die Jako-
biner, bekanntlich der französische Name der Dominikaner, meist zweischiffige Kirchen haben, was in
Deutschland bei ihnen, soviel ich weiss, nicht vorkommt. Der Artikel Archüecture civile, kürzer und
ohne Zeichnungen, giebt dem Verfasser Gelegenheit, den „Rationalismus", die logische Consequenz der
mittelalterlichen Baukunst, von ihrer guten Seite zu zeigen; da sie sich überall nach dem Zwecke des
Gebäudes und nach den Eigenschaften des Materials richte und beide offen darlege und künstlerisch
ausbilde, habe sie schon dadurch die grösste Freiheit und Originalität bei aller Strenge der Principien
erlangt. Deshalb sei denn auch die bürgerliche Architektur von der kirchlichen wesentlich verschieden
und habe eine andere Geschichte gehabt, indem sie noch im XIV. Jahrhundert, als in jener durch das
überwuchernde Detail die Grundgedanken der Construction entstellt und verhüllt wurden, immer wahr
geblieben sei und durch die fortschreitende Entwicklung des bürgerlichen Lebens manche Verbesserungen
erhalten habe. Der darauf folgende Artikel: Archüecture milüaire, eine umfassende Abhandlung über die
ßel'esligungskunde von den Römerkriegen an bis zu der Umgestaltung des Kriegswesens im XVI. Jahrh.,
schliesst die Reihe dieser allgemeinen Aufsätze im ersten Bande. An sie schliesst sich im II. Bande
der höchst interessante Artikel Cathedrale (S. 279—392), welcher die Geschichte und vortreflliche Zeich-
nungen fast aller französischer Cathedralen des XII.—XIV. Jahrhunderts und damit eigentlich wieder
eine Geschichte der Kirchenbaukunst enthält. Alle Grundrisse sind hier nach demselben Maasstabe
(1jivoo) gezeichnet, und gewähren daher sehr nützliche Vergleichungen. In demselben Bande ist dann
auch der Artikel Chapelle (S. 423 — 480) zu den allgemeinen zu rechnen, weil er von gesonderten Ge-
bäuden spricht, nämlich zunächst von den sogenannten Samtes Chapelles, d. h. von den zur Bewahrung
besonders vornehmer Reliquien bei den Schlössern der Könige und der Lehnsherren errichteten Kapellen.
Die Ste. Chapelle von Paris, dieser Juwel gothischer Baukunst, welche der Verfasser selbst reslaurirt hat,
und die anderen meist ähnlich angelegten gleichnamigen Kapellen werden mehr oder weniger genau
dargestellt. Alle diese Kapellen haben zwei Stockwerke, aber ohne die in unseren deutschen Schloss-
kapellen gewöhnliche Oeffnung des Bodens, welche den Untenstehenden an der oben gehaltenen Messe
Theil zu nehmen erlaubte. Daran reihen sich die kleineren Kapellen adlicher oder bischöflicher Schlösser,
auch sie meistens gesonderte Gebäude und zweistöckig; ferner andere isolirte Kapellen, die meist auf
Beerdigungsplätzen und oft von ungewöhnlicher und capriciöser Anlage (Prades, Montmajour u. a.); dann
die den Kirchen angebauten Kapellen, welche aus einem aristokratischen Bedürfnisse bürgerlicher Familien
oder Corporationen entstanden, die nicht eigene Schlosskapellen haben konnten und sich doch isoliren
wollten; endlich die in den Plan der Kirche aufgenommenen, namentlich die Chorkapellen. Der Verfasser
stellt hier die Ansicht auf, dass die Anlage dieser Kapellen zuerst und sehr früh in Klosterkircben, in
Cathedralen aber anfangs nur bei Nachahmung solcher Klosterkirchen (wie er bei der Cathedrale von
Noyon einen Einfluss der Kirche von St. Denis annimmt), aufgekommen sei. In der erslen Blüthezeit
des gothischen Cathedralbaues (so fügt er in dem Artikel Choeur hinzu) hatten die Bischöfe in ihrer
populären Tendenz auch den Chor offen gelassen und erst später, dem Wunsche der Domherren gemäss,
denselben durch Zwischenmauern geschlossen, was denn die Anlegung jener Kapellen am Umgange moti-
virt habe. Ich lasse dahingestellt sein, ob der Verfasser in dieser, wahrscheinlich aus der Geschichte

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