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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 2.1858

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236 LITERARISCHE ANZEIGE.

von N. D. von Paris hergeleiteten Vermulhung Recht hat, und muss über die Geschichte der allmählichen
Vergrösserung und Ausbildung dieser Kapellen auf die vielfachen Beispiele des Buches verweisen.

Im III. Bande gehört der umfassende Artikel Chala.au (S. 58—190) zu den allgemeinen, indem
der Verfasser darin die Gestaltung der Adelsitze von der Niederlassung der Franken in Gallien bis zur
Zeit der Renaissance beschreibt. Es ist einer der interessantesten Abschnitte des Buches; das Sitten-
geschichtliche fällt hier wirklich und ungesucht mit dem Architektonischen zusammen; geschichtliche
Nachrichten und eigene Anschauungen des Verlassers sind im vollsten Einklänge; er erläutert Chroniken
und Kriegsgeschichten durch den Befund der Monumente, aber er schöpft doch mehr aus diesen selbst
und hat mit seinem Scharfblicke Manches darin gelesen, wovon die schriftlichen Nachrichten schweigen.
So ist gleich anfangs der Gegensatz zwischen den einfachen, in schlichtester Weise befestigten Land-
sitzen der fränkischen Häuptlinge (die allerdings nur in schwachen Spuren erkennbar sind) und den
viel hesser angelegten und erhaltenen Burgen der Normannen sehr charakterisiisch. Wir sehen den
klugen, vorsichtigen und misstrauischen Sinn dieser Eroberer in ihren Schlössern deutlichst ausgeprägt.
An einer Reihe von namhaften Burgen, Arques, Chauvigny, Roche-Guyon und besonders Chateau Gaillard,
lernen wir die Erweiterung ritterlicher Befestigungskunst und Lebensgenusses, das Schloss Coucy zeigt
uns die stolze Bracht eines mächtigen Vasallen in höchster Entfaltung. Bis hierher war in diesen Burgen
die Befestigung der vorherrschende Gedanke, die Bequemlichkeit der Bewohner untergeordnet; im
XIV. Jahrhundert wird es anders, beide Bücksichlen werden in gleicher Weise wahrgenommen, man
baut nicht mehr blosse Festungen, sondern befestigte Schlösser, wie dies besonders in dem prachtvollen
Schlosse des Herzogs von Orleans, Pierrefonds bei Compiegne (1390), gezeigt wird. Und nun kommt
bald die Zeit, wo der reichgewordene Adel im beruhigten Lande seine Schlösser nur noch die Festung
spielen lässt, wo man lange Reihen hellbeleuchteter Zimmer, weitgeöffnete Fenster braucht, um in den
vielen müssigen Tagen den Blick ins Freie zu haben, daneben aber die massigen Thürme, die Gräben
und Brücken, als nothwendige Decoration eines herrschaftlichen Hauses beibehält, wo man selbst die
vielen Windungen und Winkel der Durchgänge, die Umwege und Schwierigkeiten, die verborgenen
Treppen, welche einst zur Sicherheit bei kriegerischen Angriffen gedient hatten, nicht entbehren will,
weil man sich in sie eingelebt hatte, weil sie, wenn nicht mehr für den Kampf der Waffen, doch für
das Spiel der Galanterie und der Intriguen dienten. Auch dies war ein Krieg! fügt der Verfasser hinzu.
Der ganze Artikel ist vortrefflich, fast in keinem zeigt sich des Verfassers Beobachtungs- und Dar-
stellungsgabe, sein grosses Wissen und seine meisterhafte Zeichnung in so günstigem Lichte.

Und nun kann ich von den allgemeinen zu den specielleren Artikeln übergehen, die ich wieder
in zwei Klassen theilen möchte. Ein Theil derselben ist nämlich mehr archäologischer Natur, d. h. nur
mittelbar mit der Baukunst in ihrer künstlerischen Bedeutung zusammenhängend. Dahin rechne ich
zunächst die zahlreichen Artikel über Befesligungskunde (Barbacane, Bastide u. s. f.), dann die ausführ-
liche Abhandlung über Heraldik (Armoirie), ferner die nicht seltenen ikonographischen Mittheilungen
(z. B. Ange, Animaux, Apötres u. s. w.), die immer willkommen sind, weil sie auf eigene Anschauungen
gegründet und meistens von guten Abbildungen begleitet sind. Besonders interessant sind die Artikel
Arts liberaux im zweiten, und Christ im dritten Bande. Auch eine Zahl von Artikeln, in welchen die
Geschichte einzelner Theile der kirchlichen Gebäude in liturgischer Beziehung gegeben wird (z. B. Aulel,
Cham u. s. w.) könnte man dahin rechnen.

Den eigentlichen Körper des Buches und die grösste Stärke desselben bilden dann diejenigen
Artikel, welche die Geschichte der einzelnen Theile und Glieder des Baues geben. Sonderbarer Weise
sind sie im ersten Bande in Zahl und Bedeutung geringer. Unter dem Worte Abside erhalten wir nur
eine summarische Aufzählung der verschiedenen Gestalten des Chorschlusses. Interessanter sind schon
die Artikel: Archivoltes, Are doubleau, Arcatures und vor allen Are boutant (S. 60. 83); aber wenn
man bedenkt, dass es sich hier um den wesentlichsten Theil, man möchte sagen den Schlüssel des
gothischen Styls handelt, hätte man auch hier mehr erwarten können. Offenbar fühlte sich der Verfasser
gehemmt, so lange er noch nicht in jenen allgemeinen Artikeln seine Grundansichten ausgesprochen hatte.

Um so wichtiger und anziehender werden diese Artikel später; der Verfasser zeigt uns nicht
hlos die chronologischen Bildungsstufen jedes Gliedes, er führt uns in die Werkstatt der Meister, wir
theilen ihre Bestrebungen und Sorgen. Wir sehen, wie die Anforderungen der Nützlichkeit und Zweck-
mässigkeit ihnen immer deutlicher werden, wie sie immer vollkommenere Mitlei finden, wie sie dabei
 
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