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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Schnütgen, Alexander: Entwurf zu einem romanischen Baldachinaltar für St. Quirin in Neuß
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0014

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Abhandlungen.

Entwurf zu einem romanischen Bal-
dachinaltar für St. Quirin in Neufs.

Mit Abbildung (Doppeltafel).

ür Altarbauten romanischen
Stiles fehlt es fast ganz
an alten Vorbildern. Die
wenigen Stein-, Holz-,
Metallretabel bieten für
die Nachahmung nur ge-
ringe Anhaltspunkte, und
von den Ciborienaltären
können die in den alten
italienischen Basiliken er-
haltenen hierfür nur wenig
in Betracht kommen, eher
der flach geschlossene, schwere Aufbau in
Hamersleben (vergl. Beschreibende Darstellung
der älteren Bau- und Kunst-Denkmäler der
Provinz Sachsen, XIV. Heft, S. 131). Dennoch
erscheint diese Baldachinform als die passendste
Anlage, wenn die Mafsverhältnisse des Chores
sie überhaupt gestatten. Da sie nämlich ein
Bau im Bau ist, so stellt sie an den Chor
den Anspjuch grofser Dimensionen, beträcht-
licher Breite und Tiefe, noch erheblicherer Höhen-
mafse. Wo der Baldachin nicht frei sich ent-
falten kann, also die Architektur ringsum oder
nach oben irgendwie beengt oder drückt, ist
er sicher nicht am Platze, und auch da, wo
er die Gliederungen des Chores wesentlich be-
einträchtigt, also z. B. den Säulenstellungen.
Nischen, Arkaden, Fenstern ihre Wirkung
nimmt, ist er nicht angebracht.

Da der Chor von St. Quirin in Neufs (der
durch den zur Zeit von Zwirner in die Vie-
rung eingebauten gothisirenden Steinaltarkolofs
vollständig verbaut und verunstaltet ist), eine
lichte Höhe von 20 m, eine Breite und Tiefe
von 8 w hat und hinsichtlich der Gliede-
rungen einen ganz ungewöhnlichen Reichthum,
so erscheint für seinen Hochaltar der Bal-
dachin die gegebene Form. Der Kirchenvor-
stand hat sie daher als Bedingung angegeben

bei dem Ausschreiben einer eng begrenzten
Konkurrenz. Aus dieser ist Bildhauer W.Men-
gelberg in Utrecht als Sieger hervorgegangen
mit dem hier beigelegten Plan, der, obwohl
hinreichend klar in der Zeichnung, bezüglich
seiner Ausführung, namentlich in technischer
Hinsicht, einer kurzen Erklärung bedarf.

Von den drei Marmorstufen, die unmittelbar
zum Altar hinauf-, vielmehr hineinführen, ist
die unterste 4 m breit, sie führt rings im Quadrat
herum, und auf ihren Ecken stehen die vier
Marmorsäulen, welche den Baldachin tragen.
Die Stylobate sind von dunklerem Marmor
und den Uebergang zu den helleren Mono-
lithen, die sehr hart sein müssen, um die ge-
waltige Last tragen zu können, bilden Bronze-
basen, wie ein Bronzewulst sie abschliefst und
zu dem Kalksteinkapitäl überleitet. Seine
Deckplatte ist wiederum aus Marmor gebildet,
und darüber hinaus herrscht der leichte fran-
zösische Kalkstein. Die Ecken, aus denen das
Dach herauswächst, sind abgeschrägt und aus-
gehöhlt, um für die Reliefs der Evangelisten-
symbole Platz zu gewinnen, und über dem ge-
drückten Spitzbogen mit seinen Mafswerknasen
erscheint das Relief des Pelikans in dem
Frontispiz, welches mit freibehandelten Krabben-
blättern besetzt, in eine kräftige Kreuzblume
ausklingt. Auf den Ecken stehen gewisser-
mafsen als die Fortsetzungen bezw. Bekrönungen
der Säulen und als vortreffliche Gruppenbild-
ner aus Stein gemeisselte, von Marmorsäulchen
eingefafste Lauben und in ihnen unter einem
Kleeblattbogen je eine Standfigur der Evan-
gelisten ; die sie bekrönenden Helme reichen
bis zur Höhe des Dachfirstes und des ihn ab-
schliefsenden Kammes. Im Kreuzdach und
seinen Einsattlungen vollzieht sich der Ueber-
gang aus dem verjüngten Viereck in das Acht-
eck, aus welchem, etwas unter, (doch besser
auf) der Höhe des Firstes die achteckige La-
terne herauswächst. Ebenfalls aus Stein kon-
struirt und mit Marmorsäulchen, welche die
Arkaden einfassen, geschmückt, gibt sie mit
ihrem aus den Spitzgiebeln sich entwickelnden
reichen Pyramidendache, dem Blätterkranze,
 
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