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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Braun, Joseph: Italienische Mitren aus dem Mittelalter
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0021

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15

1902.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

10

eine der niedrigsten Mitren, die mir bislang
begegnet sind.

Die beiden andern Mitren haben bei einer
Breite von ebenfalls 28«« eine Höhe von 22 cm,
sind also um ein wenig höher, als die erste. Die
eine (Abb. 3) ist aus weifser Seide angefertigt und
in circulo mit einer ^j^cm breiten palermi-
tanischen Goldborde versehen, welche die be-
kannten hakenförmigen geometrischen Muster
aufweist. Der über die Mitte der Schilde ver-
tikal herabsteigende kaum 3 cm breite Zier-
streifen ist durch Goldstickerei hergestellt und
besteht aus zwei schmalen Bändchen mit da-
zwischen liegender leichter Ranke. Die drei
grofsen Steine oder Perlen, welche ehedem
dem Besatz aufgenäht waren, sind abhanden
gekommen.

Neben dem Mittelstreifen sind die Schilde
mit je zwei Heiligen in Goldstickerei geschmückt;
auf der Rückseite gewahren wir den Evan-
gelisten Johannes nebst einem, wie es scheint,
zweiten, jedoch nicht durch Beischrift näher
kenntlich gemachten Evangelisten, auf derVorder-
seite steht rechts neben dem Vertikalstreifen
der hl. Nicolaus, links der hochberühmte und
zu Anagni hochverehrte Thomas Becket. Den
Grund füllen Lilien und Möndchen, ein An-
zeichen, dafs wir die Heimath der Mitra wohl
nach Sizilien zu verlegen haben.

Gesteift ist das Ornatstück mit einem kräf-
tigen, groben Linnen, gefüttert mit rother Seide.
Die Machweise ist die bekannte; von den Nähten
zieht sich die eine von Hornspitze zu Horn-
spitze, die andere steigt an der Seite herauf
und läuft quer über den Kopf, bis zur Mitte,
wo sie an der ersten Naht endet.

Von den Behängen ist nur noch einer er-
halten. Derselbe ist ca. 42 cm lang und er-
breitert sich nach unten etwas. Er ist analog
dem Fond der Mitra mit Lilien und Möndchen
geschmückt und mit Linnen gefüttert, das ein
grofses Zickzackmuster aufweist.

Die Stickereien sind in dem neuerdings von
de Farcy so benannten point retire" ausgeführt,
bei dem der Goldfaden nicht einfach auf-
geheftet, sondern mittelst des Abheftsfadens
tief in den Stoff hineingezogen wird, so dafs
es den Anschein gewinnt, als sei er völlig
durchgezogen.

Die zweite der beiden Mitren (Abb. 2) ist
wiederum aus einem kräftigen, mit feinem Zick-
zack gemusterten Linnengebild angefertigt, aus

dem auch die 4 cm breiten Behänge bestehen.
Die Naht der Mitra läuft hier von der Spitze
der Hinterseite zur Spitze der Vorderseite und
von da über die Mitte der letztern zum Rande,
jedoch ist sie durch den Besatz in titulo
verdeckt.

Die Besätze sind von ziemlicher Breite.
Dieselbe beträgt beim Besatz in titulo 7 cm,
bei der Randbordüre 6V2 cm. Ihr Fond wird
durch einen dunkelpurpurnen Seidenstoff ge-
bildet. Die Besätze in titulo sind mit je einem
Rundmedaillon geschmückt, das auf der Vor-
derseite den Heiland enthält, der rechts und
links von einer Lilie begleitet ist, auf der
Rückseite Maria, gleichfalls mit Lilien zur
Seite und der Beischrift MP- GY. Auf dem
Randbesatz, der sich leider nur noch an der
Rückseite erhalten hat, befinden sich drei Rund-
medaillons, von denen das mittlere einen Hei-
ligen, wie es scheint, Paulus, die übrigen das
Brustbild eines Engels, in der Hand die Welt-
kugel, aufweisen. Die Medaillons sind durch
Rauten von einander getrennt, die von einem
mit rbombenförmigem Kern versehenen Kreis
und vier Punkten gefüllt sind. Die Einfassung
der Besätze besteht aus einem schmalen, in
Goldstickerei hergestellten Streifchen; in die
von den Medaillons, den Rauten und der Ein-
fassung gebildeten Zwickel ist eine Ranke ge-
legt. Die stark hervortretenden Stickereien
sind theils" in Gold, theils in farbiger Seide
ausgeführt.

Die vierte Mitra des Domschatzes von
Anagni (Abb. 4) gehört frühestens der Spät-
zeit des XIII., wenn nicht gar erst dem
Beginn des XIV. Jahrh. an. Sie ist aus weifser
Seide gemacht, mit rothseidenem Futter ver-
sehen und in titulo und circulo mit Besätzen
aus rothem Seidenköper ausgestattet. Diesel-
ben sind von einem schmalen Goldbördchen
sizilianischer Provenienz, wie es scheint, ein-
gefafst und waren ehedem mit Glasperlen und
Korallen verziert, wovon noch jetzt Reste vor-
handen sind. Die beiden runden Zeugstücke
aus rother Seide, die zur Seite des Vertikal-
besatzes auf dem Schilde aufgenäht sind, Waren
früher wohl mit einem Medaillon in Email
oder Metall besetzt. Ueber den Grund des
titulus sind kleine vergoldete Silberplättehen
und Perlen verstreut.

Das volle Gegenstück zu der an dritter
Stelle beschriebenen Mitra von Anagni (Abb. 6)
 
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