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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Braun, Joseph: Italienische Mitren aus dem Mittelalter
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0024

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21

1902.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

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Hälften zertheilte Mitra des Museo nazionale.
Die Besätze bestehen theils aus alten siziliani-
schen Goldborden mit geometrischen und ani-
malen Dessins, theils aus bestickten Streifen.
Auf der Vorderseite ist in trefflicher Stickerei
die Krönung Maria dargestellt. Links vom
Vertikalbesatz ist Maria angebracht, über welcher
ein Engel herabschwebt, eine Krone in den
Händen; rechts von demselben sitzt der Hei-
land auf seinem Throne. Die Rückseite
schmücken entsprechend unter Baldachinen die
Bilder der Apostel Petrus und Paulus. Die
Abschrägungen der Mitra begleiten in stark
reliefirter Goldstickerei imitirte Giebelblumen;
die Spitzen der cornua schliefsen mit silber-
vergoldeter Kreuzblume. Auf den Behängen
gewahrt man unter einem Baldachin einen
knienden Bischof, über dem ein Engel herab-
fliegt.

Die im Besitz der Konventualen zu Bagno-
rea (Abb. 9) befindliche Mitra wird dem hl. Bona-
ventura zugeschrieben. Form und Verzierung
des Ornatstückes, die in gleicher Weise mit
aller Bestimmtheit auf das Ende des XV. Jahrh.
hinweisen, lassen jedoch keinen Zweifel, dafs sie
dem Heiligen unmöglich zugehört haben kann.
Die Mitra ist gut erhalten. Ihre Höhe be-
trägt ca. 36 cm. Der Fond wie die Besätze
sind durch abgeheftete Goldfäden gebildet, die
hier wie dort in gleich meisterhafter Weise
behandelt sind. Auf dem Fond bilden die
Abheftfäden eine an das Granatapfeldessin er-
innernde Musterung. Die Borden füllt in stets
wiederkehrender Folge in leichter Hochstickerei
ein mit einer Rosette abschliefsender Zweig.
Eine vorzügliche Arbeit sind die vier Medail-
lons, mit welchen die Felder zur Seite des
Mittelbesatzes geschmückt sind. Sie enthalten
Brustbilder von Heiligen. Eigenthümlich und
darum bemerkenswerth ist, dafs auch an den
Seiten der Mitra eine Borde von der Art, wie
sie sich in circulo und titulo befindet, ange-
bracht ist.

Das wären die noch vorhandenen mittel-
alterlichen Mitren in Italien. Ich will freilich
nicht behaupten, dass sie absolut die einzigen
sind, und dafs es aufser ihnen gar keine an-
dere mehr gibt. Allein manche werden es sicher
nicht sein, um die sich etwa die Zahl der an-
gegebenen wird vermehren lassen.6)

«) Von einer angeblich in S. Francesco zu Pisa
befindlichen Mitra des hl. Bonaventura war weder

Werfen wir einen Rückblick auf das Ge-
sagte, so ergibt sich, dafs unter den Mitren
am stärksten das XIII. Jahrh. vertreten ist.
Dem XV. Jahrh. gehören vier Mitren an, die
beiden in S. Pietro zu Bologna, und je eine
im Museo nazionale zu Ravenna, zu Cividale
und im Collegio delle missioni zu Bagno-
rea. Das XIV. nennt sein eigen die fa-
mose Mitra des hl. Silvester, die sogen. Mitra
des hl. Ubaldus, die Mitra Johannes' XXII.
und vielleicht auch eine der Mitren von
Castel S. Elia.

Dem XII. Jahrh. mögen, wenn wir von
der Mitra des hl. Atto zu Vallombrosa und
den beiden Mitren in Monza absehen, an-
gehören die Mitra in S. Trinitä zu Florenz
und allenfalls die mitra simplex des Schatzes
von Anagni. Alle anderen Mitren entfallen
auf das XIII. Jahrh.

Aus dem XI. Jahrh. hat sich keine Mitra
erhalten. Hier mufs man sich darum mit
den Monumenten bescheiden. Leider ist auch
ihre Zahl äufserst beschränkt. Es sind mir
in Italien deren nur zwei bekannt gewor-
den, ein Fresco in der Unterkirche von
S. demente, welches Papst Clemens mit der
Mitra geschmückt am Altare darstellt und eine
bisher völlig unbeachtet gebliebene Miniatur
eines Kodex der Vaticana aus dem XL Jahrh.,
worauf drei Bischöfe mit der Mitra auf dem
Kopf auftreten. In beiden Fällen ist das Ornat-
stück kegelförmig. Auf den Italienischen Bild-
werken des XII. Jahrh. hat bis über die
Mitte desselben hinaus die pontifikale Kopf-
bedeckung entweder die ursprüngliche Ca-
lottenform oder sie ist mit cornua ver-
sehen, die rechts und links über den Schläfen
aufsteigen.

Mitren mit vorn und im Nacken sich er-
hebenden Hörnern habe ich erst auf den Mo-
numenten des späten XII. Jahrh. gefunden.

Die Entwicklung der Mitra vollzieht sich
seit dem ausgehenden XII. Jahrh. nach einer

in S. Francesco, das seit Jahren leer steht, noch
Überhaupt zu Pisa etwas zu erfahren. Eine Mitra, die
sich im Besitz des Conte Visconti zu Robecco bei
Cremona befindet, wurde von demselben in Deutsch-
land erworben, doch scheint mir ihre Echtheit wenig-
stens fraglich. Eine dem hl. Antonin (f 1459) zu-
geschriebene Mitra zu Benevent stammt nach Barbier
de Montault aus späterer Zeit, kann also hier nicht
mehr in Betracht kommen.
 
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